Es war erst das zweite Bundesligaspiel von Marc-André ter Stegen, Borussia musste
am 30. Spieltag beim FSV Mainz 05 antreten.
Der am 30. April gerade einmal 19 Jahre alt gewordene Schlussmann machte wie schon in der Vorwoche ein gutes Spiel. Er hielt, was zu halten war und strahlte überdies unglaublich viel Ruhe und Souveränität aus.
Seine aber vielleicht nachhaltigste Szene hatte ter Stegen wenige Sekunden, nachdem er
in der 87. Minute das späte 0:1 der Mainzer aus dem Tornetz holen musste. Er war machtlos gegen diesen Sonntagsschuss von Nationalspieler André Schürrle, doch abhaken wollte er das Spiel trotz dieses späten Gegentores längst nicht. Also stand er schnell auf, holte den Ball aus dem Tornetz und legte ihn auf den Anstoßpunkt. Das und seine aufmunternden Gesten in Richtung Mitspieler sollten signalisieren: Weiter geht´s, Kopf hoch – das Spiel ist noch nicht aus.

Foto: Dieter Wiechmann


„Aufgeben zählt nicht“, auch diese Einstellung hat ter Stegen vermutlich bis in die Bundesliga gebracht – und wer weiß, vielleicht hilft sie auch mit, seine Mannschaft dort oben zu halten.
„Wenn nur ein kleiner Funken Hoffnung da ist, ein Spiel zu drehen, dann muss man das doch mit aller Kraft versuchen“, sagt er. In einem Junioren-Spiel gegen den MSV Duisburg, es ging damals um den Einzug ins Halbfinale der Deutschen B-Jugend-Meisterschaft, führte ein vergleichbares Handeln des Blondschopfes nach dem 0:1-Rückstand noch zu einem 2:1-Sieg.
Keine Frage: Schon in der Jugend fiel Marc-André ter Stegen, der, seit er vier Jahre alt ist, für Borussia spielt, neben seinem großen Torwarttalent auch durch seinen immensen Ehrgeiz auf. Eine Eigenschaft, die wohl mit dazu geführt hat, dass ter Stegen im Boulevard schon den Spitznamen ‚Mini-Kahn‘ erhalten hat.
 

„Er ist solide, er ist ruhig und er ist gut.“

 
Den Vergleich mit dem ehemaligen Deutschen Nationaltorhüter hört ter Stegens Trainer bei Borussia, Lucien Favre, gar nicht gerne. „Er hat doch gerade einmal ein paar Bundesligaspiele gemacht.
Geben wir ihm doch die Zeit, sich zu entwickeln.“ Borussias Coach hält große Stücke auf den U17-Europameister von 2009 – sonst würde er ihm nicht den Vorzug gegenüber den beiden erfahrenen Keepern Logan Bailly und Christofer Heimeroth geben. Er will ihn aber vor den in den Medien üblichen Superlativen schützen.
„Er ist solide, er ist ruhig – und er ist gut“ – kurz und prägnant charakterisierte Favre seine neue Nummer 1 nach seinem Bundesligadebüt gegen den 1. FC Köln. Beim 5:1 der Borussia gegen den Erzrivalen aus der Domstadt bekam ter Stegen zwar nicht ganz so viel zu tun wie eine Woche später in Mainz oder eine weitere Woche darauf, beim überraschenden 1:0-Sieg gegen Spitzenreiter Borussia Dortmund.
Doch schon gegen den FC deutete ter Stegen erstmals einem großen Bundesliga-Publikum an, dass er auf der einen Seite über hervorragende Reflexe verfügt, Flanken sicher abfangen kann und stark im Duell Eins gegen Eins ist, auf der anderen Seite aber auch ‚Fußball spielen‘ kann. Heißt: ter Stegen kann ein Spiel eröffnen, mit präzisen Abwürfen und punktgenauen Abschlägen. Er verkörpert alle Eigenschaften, die man heute dem Bild eines modernen Torwarts zuschreibt.
Doch der gebürtige Rheydter, der noch in der U19 spielen könnte, kann noch einiges dazu lernen und steht noch ganz am Anfang seiner Karriere. Wohl kaum jemand kann das so gut beurteilen wie Uwe Kamps, bei Borussia sein Torwarttrainer, mit fast 400 Bundesligaspielen für den VfL fast so etwas wie eine Legende im Verein und der einzige Borussen-Keeper, der bei seinem Debüt noch jünger war. „Marc hat eine große Ausstrahlung. Aber man sollte und darf keine Wunderdinge von ihm erwarten. Die Bundesliga ist immer etwas anderes. Die vollen Stadien, der Druck, die Schnelligkeit der Stürmer. Er wird auch Fehler machen – und aus diesen Erfahrungen muss er lernen.“
Ausstrahlung und Selbstbewusstsein, soviel steht fest, hat er schon. Borussias brasilianischer Innenverteidiger Dante jedenfalls erzählte nach ter Stegens Bundesligadebüt mit einem Lächeln im Gesicht, wie ihn der junge Torwart nach einer Unachtsamkeit anpfiff: „Dante, komm, Junge – oder schläfst du?“ Marc-André ter Stegen schläft mit Sicherheit nicht. Er lebt gerade nur seinen Traum als Stammtorwart Borussias – und tut alles dafür, dass sich daran in der kommenden Saison nichts ändert.