Die großen Designershows der Haute Couture und des Prêt-à-porter sind im Herbst wie im Frühjahr den Modeexperten und der internationalen Hautevolee vorbehalten, in  Paris ebenso wie in Italiens  Modemetropole Mailand. Aber wenn in Mailand die ‚Milano Moda Donna‘ Damenmode fürs Frühjahr und den Sommer 2013 präsentiert, dann lohnt sich der Besuch der City ganz besonders. Denn dort werden  einige Modenschauen mit aktuellen Kreationen fürs Publikum geboten – diesmal  zwischen dem 19. und 25. September. Ähnliches gilt für die Modehauptstadt der Welt. Während die Pariser Messe vom 16. bis 21. September ‚Zoom‘ präsentiert, das Kaufereignis für den internationalen Modehandel, gibt es in den Modehäusern ebenfalls Trendshows für die Kunden von morgen. Grund genug, sich dorthin aufzumachen, wo das Herz der Mode-, Schmuck- und Schuhdesigner schlägt. Und wenn Sie schon einmal im Land sind – wie wäre es mit einem kleinen Trip in die weitere Umgebung? Dorthin, wo manche Große der Glitzerwelt das Licht der Erde erblickt haben? Wir haben für Sie Städte-Touren erkundet, die jeweils vor oder nach dem Besuch eines der beiden Modezentren locken könnten. Atmen Sie den Geist der Modezaren, lassen Sie sich von ihren Geburtsstädten überraschen!
Dior & Granville
Granville liegt auf einem Felskap in der Normandie. Aus seinen mächtigen Steinbrüchen stammt der Granit, mit dem Kirchen und Klöster auf dem berühmten Mont St. Michel vor der französischen Nordseeküste erbaut wurden. Das Städtchen ist im Sommer belebter Badeort mit grandioser Strandwelt und im Winter Schauplatz faszinierend tosender Wellen. Dort erbaute Christian Dior ein herrschaftliches Anwesen. Die Villa des 1957 verstorbenen Modekönigs gehört heute zu den Attraktionen Granvilles. Hier ist ein Modemuseum entstanden. Dior wechselte nach dem Studium der politischen Wissenschaften als Galerist nach Paris. Dann schlug er sich mit Mode-Entwürfen durch. Erst 1946 kam der Durchbruch: Textilfabrikant Marcel Boussac engagierte ihn als künstlerischen Leiter seines neuen Haute-Couture-Hauses. Daraus wurde die Christian Dior S.A. in der Pariser Avenue Montaigne, bis heute die Adresse des Dior-Flagshipstores. Schon die erste Kollektion schrieb 1947 Geschichte: Es war der verschwenderisch ausgestattete ‚New Look‘, der in wenigen Monaten den Durchbruch bis in die Kaufhausmode schaffte. Kuppel-Linie, Maiglöckchen-Linie, Bleistift-Linie und H-Linie – unter diesen Namen folgten jährlich neue Erfolgskreationen. Dior wurde Vorreiter bei der Wiedererweckung der Modehauptstadt Paris. Und wer auf vielen Gebieten zugleich Schule macht, hat auch große Schüler. So Pierre Cardin, der bis 1950 als erster Schneider für ihn arbeitete. Oder Yves Saint Laurent, der seit 1953 Diors Assistent war und 1957 sein Nachfolger als Chef-Designer wurde.
Coco Chanel & Saumur
Saumur im Loire-Tal ist die Geburtsstadt einer Frau, deren Lebensgeschichte Buchautoren und Filmschaffende inspiriert hat. Aber anders als Dior in Granville hat Coco Chanel in Saumur kaum Spuren hinterlassen. Immerhin: In der Umgebung des grandiosen Schlosses Saumur wachsen 40 Prozent aller Rosen für den französischen Blumenmarkt. Und hier werden alljährlich rund 140.000 Hektoliter Wein abgefüllt, davon fast die Hälfte als prickelnder ‚Crémant de Loire‘ für den Weltmarkt. Wer eine kleine Auszeit vom modernen Modetrubel wünscht, ist in Saumur bestens aufgehoben. Mitten in einem Naturpark gelegen, blickt das kleine Städtchen auf bedeutungsvolle Historie zurück, die sich in einer malerischen Altstadt und imposanten gotischen Bauten noch heute besichtigen lässt. Prickelnd wie der Crémant und  stachelig wie die Rosen der Region – so entwickelte sich das Leben der Näherin Gabrielle Chanel, Tochter eines Straßenhändlers. Liebeleien und Liebe führten Regie, als aus der zierlichen Gabrielle ‚Coco‘ wurde, zuerst Geliebte eines Offiziers, später eines britischen Unternehmers. Dessen Darlehen verdankte sie ihr erstes Hutgeschäft in Paris, dann die erste Boutique im normannischen Seebad Deauville. 1914 entwarf Coco Chanel ihre erste Kollektion. Jerseystoff und klare Linien sorgten für einen neuen Akzent, der den Ersten Weltkrieg überdauerte. Coco Chanel beschäftigte da schon 300 Näherinnen und beglich ihre Schulden beim Liebhaber. Als sie mit 70 Jahren noch einmal mit einer neuen Kollektion startete, rühmten Hollywood-Stars die Eleganz ihrer wollenen Straßenkostüme – und Chanel-Mode wurde erneut zum ‚Renner‘. Dass ihr Name unsterblich wurde, verdankt Coco Chanel allerdings den Düften, die bis heute die Welt bewegen. Dass ihr Chanel No. 5 noch immer die jährliche Hitliste der Duftmarken anführt – das hätte auch sie selbst bis zu ihrem Tod 1971 nicht für möglich gehalten.
Guccio Gucci & Florenz
Guccio Gucci, Sohn eines Lederhandwerkers, versuchte es in seiner Geburtsstadt Florenz erst mit einem Geschäft für Sättel und Reiterbedarf, ehe es ihn nach Paris, dann nach London ins Hotel Savoy verschlug. Dort kam er als Maître d´Hotel in Kontakt zu Größen der Mode- und Designerwelt. Mit neuem Verständnis für Ästhetik kehrte er heim und eröffnete erneut ein Geschäft, diesmal mit selbst entworfenen und gefertigten Reiter-Utensilien. 1938 wechselte er nach Rom in die vornehme Via Condotti. Von dort wuchs die ‚Guccio Gucci S.r.I‘ mit Design-Handtaschen, Schmuck, Mode,  Leder- und Gebrauchswaren zu einer Erfolgs-Marke an. Bis 1993, 40 Jahre nach dem Tod des Gründers, blieb das Unternehmen in Händen der Familie, ehe Sohn Maurizio alles an eine  arabische Investorengruppe verkaufte. Der Erfolg, den die Firmenzentrale von Mailand aus bewahrt, überdauert bis heute. In seiner Geburtsstadt wird Gucci längst zur langen Reihe ganz großer Namen aus der Kulturgeschichte gezählt. Florenz, das ‚italienische Athen‘, ist selbst eine unzerstörbare Marke geworden. Die Macht und Intrigen der Medici, die Kunstwerke Michelangelos, Botticellis oder Leonardo da Vincis, der Palazzo Pitti, die Kathedrale Santa Maria del Fiore, die zweigeschossige Arno-Brücke Ponte Vecchio – und das alles inmitten der lieblichen Erhebungen der Toskana. Eine Stadt zum Schwelgen, die mit Gucci ein Genie neuer Schönheit hervorgebracht hat.
Valentino & Voghera Mailand
Eine Kleinstadt im Po-Delta, 60 Kilo-meter von Mailand entfernt – das ist Voghera, wo Valentino Caravani zur Welt kam. Sein Vorname wurde zur Marke, ein Film über ihn trug 2008 den Titel ‚The Last Emperor‘. Zu Deutsch: Der letzte Kaiser. Mailand, das übermächtige Zentrum von Mode, Design, Architektur und Wirtschaft, überstrahlt alles, auch in Valentinos Leben. Nicht verwunderlich, schließlich ist die norditalienische Stadt seit je her ein Magnet für alle, die Schönheit in jeder Form lieben. Nach dem Abitur besuchte er dort Kurse im Modezeichnen. 1949 gewann der damals 17-Jährige ein Stipendium der Pariser Haute-Couture-Gewerkschaft, danach arbeitete Valentino als angestellter Designer unter anderem für Guy Laroche. 1959 startete er als Modeunternehmer. Filmdiva Elizabeth Taylor war eine seiner ersten Kundinnen, später folgten Jacqueline Kennedy-Onassis und Heerscharen weiterer bekannter Namen. Während sich Valentino der Eleganz  seiner Kreationen widmete, kümmerte sich Lebenspartner Giancarlo Giammetti um das Geschäft. Dazu gehörten auch Parfüms und Accessoires, sogar der Pkw-Typ Alfasud stammte aus Valentinos Feder. 1998 verkaufte Valentino sein Unternehmen. Er wird heute zu den mutmaßlich reichsten lebenden Modezaren gerechnet. Unverändert gehört Valentino zu den Ehrengästen, wenn in Mailand und Rom, Paris, London oder New York Mode- premieren anstehen.
Peter Lamprecht