Zu den von Arbeitnehmern im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung geltend gemachten Werbungskosten gehören regelmäßig die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese, nur pauschal mit 0,30 Euro je Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Kosten, sind dabei grundsätzlich anhand der kürzesten Wegstrecke zwischen der Wohnung des Arbeitnehmers und seiner Arbeitsstätte zu berechnen.
Hiervon abweichend kann vom Arbeitnehmer auch eine längere Wegstrecke angesetzt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte über diese Strecke schneller und pünktlicher erreichen kann. Die Finanzverwaltung hat dabei in der Vergangenheit die Anerkennung einer längeren Strecke davon abhängig gemacht, dass eine Fahrzeitersparnis von mindestens 20 Minuten erzielt wird.
Mit Urteilen vom 16.11.2011 und 19.4.2012 hat der Bundesfinanzhof allerdings in mehreren Verfahren entschieden, dass es auf eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten nicht ankommt. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ist es zwar grundsätzlich erforderlich, dass eine Zeitersparnis erzielt wird, jedoch müssen insoweit keine konkreten zeitlichen Vorgaben erfüllt sein. Vielmehr sind für die Frage, ob eine genutzte Straßenverbindung offensichtlich verkehrsgünstiger als die kürzeste Route ist, die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Nach Auffassung des Gerichts spricht eine nur geringe Fahrzeitverkürzung von weniger als 10 Prozent nicht dafür, eine von der kürzesten Verbindung abweichende Route zu wählen. Hierbei sind aber außer der Zeitersparnis für die Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit auch andere Aspekte zu beachten. Als solche Aspekte werden in einer Urteilsbegründung beispielsweise die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln und ähnliche Umstände angeführt. Auch die Staugefahr auf den Vergleichsstrecken ist zu berücksichtigen. In einem anderen entschiedenen Fall ging es um die Nutzung einer Fährverbindung, bei der auch Aspekte wie Wartezeiten oder Auswirkungen von Witterungsbedingungen auf den Fährbetrieb zu berücksichtigen waren.
Das hat zur Folge, dass unter Umständen auch eine längere Strecke als offensichtlich verkehrsgünstiger anzusehen ist, obwohl nur eine relativ geringe oder gar keine Zeitersparnis zu erwarten ist, sofern andere Gründe glaubhaft gemacht werden können, die für die Nutzung dieser Strecke sprechen.
Dipl.-Ök. Volker Hammes
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
Partner in der Steuerberatungsgesellschaft Rickenbach & Partner