„Oh, guck mal Papa! Die sind ja schön!“, ruft der kleine Philip mit leuchtenden Augen.
Grund für seine Begeisterung ist eine chrom-glänzende Kolonne, die teils schnaubend, teils tief röhrend an ihm vorbei zieht. „Ja Schatz, das sind Oldtimer. Die sind schon gefahren, als der Papa noch klein war. Und schau mal, der da. So einen hatte der Opa, als er die Oma geheiratet hat.“ Vater und Sohn bleiben gebannt stehen, bis auch das letzte Motorendröhnen in der Ferne verstummt ist.
Jetzt geht sie wieder los, die Frühjahrs-Schnauferl-Zeit. Die ersten Sonnenstrahlen erwecken nicht nur die Natur zum Leben, sondern locken auch besondere Vertreter des motorisierten Volkes auf die Straßen. Unter das stetige Summen der Motorrad-Geschwader mischen sich die auffälligen ‚Sounds‘ alter Autos.
Autos, durch deren Formschönheit die Herzen höher schlagen, die Jugendträume lebendig werden lassen. Und vor allem Autos, die anscheinend völlig immun gegen die neuesten politischen Bestrebungen zu sein scheinen. Die Abwrackprämie ging spurlos an ihnen vorbei. Umweltplaketten entlocken ihren Besitzern nur ein müdes Lächeln, da sie durch ein großes ‚H‘ am Ende ihres Kennzeichens Einlass in jede Innenstadt erhalten – selbst, wenn ihre Emissionen jedem Umweltschützer den spontanen Herztod bescheren würden.
H oder nicht H – das ist hier die Frage
Freuen Sie sich nun aber nicht zu früh.
Glauben Sie bitte nicht, Sie könnten morgen zum Straßenverkehrsamt laufen, um Ihrem alten Diesel eine so genannte H-Nummer zu verpassen, damit Sie Ihre Tüten nicht quer durch Düsseldorf schleppen müssen.
Diese Kennzeichen sind mit strengen Auflagen verbunden und nur für Oldtimer vorgesehen.
Das heißt für historische Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind. Diese müssen jedoch nicht nur ein spezifisches Alter haben, sondern auch per Prüfungsbescheid nachgewiesen originalgetreu erhalten sein. Umbauten oder Modernisierungen sind nur in geringem Rahmen erlaubt. So würde zum Beispiel kein TÜV-Prüfer einem Vorkriegsfahrzeug mit Servolenkung den H-Status zusprechen.
Apropos TÜV: Er ist nicht nur für die technische Abnahme eines Fahrzeugs zuständig. „Wir beraten unsere Kunden schon im Vorfeld“, erklärt Wolfgang Hörnes, Regionalleiter des TÜV Rheinland. „Besonders in Mönchengladbach haben wir einen Schwerpunkt für historische Fahrzeuge. Unser Know-How setzen wir dazu ein, bei allen Fragen rund um Anschaffung, Import und Restauration weiterzuhelfen.
Auch die Beschaffung von historischen Daten wie zum Beispiel Bauplänen wird gerne übernommen.“
Deutschlandweit haben nach Angaben des VDA´s (Verband der Automobilindustrie) ca. 210.000 Fahrzeuge sämtliche Hürden überwunden und dürfen sich mit dem Oldtimerkennzeichen schmücken. Dies bedeutet einen einheitlichen Steuersatz (191,73 € jährlich) und günstigere Versicherungspolicen neben der Befreiung von der Feinstaubplakette.
Diese hohe Zahl mit steigender Tendenz beweist die große Beliebtheit der Klassiker. Besonders wenn man bedenkt, dass die ‚Dunkelziffer‘ um ein Vielfaches höher ist. Nachweislich tragen nur 56 % aller berechtigten PKWs ein Oldtimerkennzeichen. Die Gründe hierfür sind verschieden. Zum einen scheuen die Besitzer die aufwendige Beantragung. Zum anderen käme es sie im Endeffekt teurer.
Vor allem hubraumschwache Modelle zahlen einen viel geringeren Steuerbetrag.
156 Fahrzeugbesitzer in und um Mönchengladbach haben einen ganz besonderen Grund auf das ‚H‘ zu verzichten. Sie sind die letzten Mohikaner einer alten Städte-Ära und nehmen einen Sonderstatus im Straßenverkehr ein. Auf 150 Kennzeichen prangt noch ein stolzes RY, sechs Autos haben es tatsächlich geschafft, Grevenbroichs GV für die Jetztzeit zu konservieren.
 
Alte Autos sind unbestritten nicht zu unterschätzende Wertanlagen. Je besser sie erhalten und seltener sie sind, desto astronomischer sind ihre Preise. So wechselte zum Beispiel ein Bugatti Royal Kellner bereits 1987 für knapp 21 Mio. Mark den Besitzer.
Auch wenn sie nicht in Millionenhöhe gehandelt werden, fest steht, dass ihnen ein besonderes Flair anhaftet. Sie ermöglichen eine Zeitreise. Damals musste man noch ‚richtig‘ Autofahren – ohne Servolenkung oder Regelsystem.
Männer finden in ihnen ideale Spielzeuge, an denen sie nach Herzenslust herumschrauben können.
Ja, früher konnte man noch eine Glühbirne wechseln, ohne ein Informatik-Studium absolviert haben zu müssen.
Diese Bastelleidenschaft kann einigen Autos jedoch auch zum Verhängnis werden. So treibt einigen Oldtimer-Freunden aus Mönchengladbach – inklusive der Autorin – die Erwähnung eines gewissen Engländers – einem ‚Jensen Interceptor‘ – Tränen des Mitleids in die Augen. Obwohl er eigentlich vollkommen fahrtüchtig ist, hat er die letzten Jahre dank der Pingeligkeit seiner Besitzer mehr Zeit im demontierten Zustand auf diversen Hebebühnen verbracht als auf der Straße. „Man könnte ja noch…“
Hier zeigt sich auch, dass es sich nicht mehr um reine Fortbewegungsmittel handelt.
Oldtimer sind Familienmitglieder, Papas liebstes Spielzeug. Sie sind personifizierte Kindheitsträume.
Wie oft steht genau das Auto in der Garage, vor dem man als kleiner Knirps mit großen Augen stand und sich schwor: „Wenn ich groß bin, fahre ich so ein Auto.“ Teilweise werden auch die wilden Jugendjahre zurückgeholt, indem eine ‚Neuauflage‘ des ersten Wagens angeschafft wird. „Weißt du noch, als wir mit dem Käfer in Italien waren…?“ Sollten Sie jetzt glauben, dass nur Männer alte Autos lieben, liegen Sie falsch. Immer mehr Frauen teilen dieses Hobby. Als Beweis seien rein weibliche Teams bei diversen Rallyes genannt.
Auch auf die Gefahr hin, dass Sie mich für verrückt halten. In meinen Augen und in denen vieler anderer haben diese Autos noch Charakter und Seele. Schauen Sie sich nur einmal einen kleinen Austin-Healey Sprite an. Sein Spitzname allein spricht schon Bände: Frogeye. Sie werden mir zustimmen, dass dieser kleine Flitzer mit großen Augen verschmitzt zu grinsen scheint. Ich für meinen Teil habe immer das Gefühl, er rufe leise ‚Mama‘, wenn ich irgendwo einen entdecke.