Erinnern Sie sich noch an die flotten Sprüche zum Ende der 90er, als ordnungsliebende Zeitgenossen als Schattenparker bezeichnet oder geringste Anflüge von Spießertum mit Turnbeutelvergesser betitelt wurden? Diese spaßigen Zuordnungskriterien wurden allzu schnell in den Sprachgebrauch übernommen und gehören heute zum festen Wortschatz eines jeden Comedy-Buchautors.

Wehe dem, der beim Eindrehen der Schräubchen des Monitorkabels am PC ertappt wurde oder im Beisein anderer einen Beipackzettel las. Unter der Headline der Warmduscher wurden täglich neue Rubriken eröffnet: Vom Achterbahn-in-der-Mitte-Sitzer bis zum Zahnseidebenutzer finden sich heute zu nahezu jedem Anfangs-Buchstaben hunderte Begriffe, in denen man sich schnell selbst wiedererkennt.
Bin ich schon Spießer, wenn ich das Wechselgeld nachzähle oder pünktlich meine Steuern zahle? Darf ich ein Billy Regal besitzen und wer verbietet mir die Verwendung von Alufolie beim Grillen? Letztere Randgruppenmitglieder wären bei mir allerdings an der richtigen Adresse! Mit neuen Begriffskonstruktionen ist es meines Erachtens in letzter Zeit dann etwas ruhiger geworden.
Eine gleichsam frische Dimension flotter Begrüßungssprüche liefert uns die wöchentliche Radio-Soap ‚Noob und Nerd‘ auf 1live mit dem herzergreifenden Vermieter Herrn Braunschweig. Der permanent übellaunige und einschüchternde Hausbesitzer erinnert an einen strengen Herbergsvater, der einen beim fehlerhaften Mülltrennen ertappt. „Tach, Ihr Otternasen“, „Morgen, Ihr Stoppersockenträger“, „Na, Ihr Vollnarkosen“ – nur Beispiele seiner Floskeln, mit denen er seine WG-Mieter begrüßt.
Mir gefallen diese markigen Ansagen, weil mir immer sofort ein Bild oder eine Person dazu einfällt. Irgendein Gesicht schießt mir direkt in den Sinn, wenn es heißt: „Tach, Ihr Westerwellewähler“. Zum Beispiel der Experte neulich im Parkhaus, der 80 Zentimeter neben dem Ticketautomaten hielt, um festzustellen, dass sein Arm mindestens eine Handlänge zu kurz war, um einen Schein zu ziehen? Mir fällt das Warten doch viel leichter, wenn ich mir für dieses Augenmaß-Genie einen passenden Namen auswähle, als nervig auf die Hupe zu drücken.
„Was liegt an, Ihr Weingummilutscher?“, erinnert mich an die Kundenberater im Handy-Shop, die besser Vorsprüher in der Waschstraße geworden wären. Statt sich über die B-Klasse-Schleicher mit ihrer goldenen ADAC Mitglieder-Plakette am Kühlergrill für 50 Jahre unfallfreies Fahren aufzuregen, sollte man die Doppel-Parkplatz-Blockierer nur milde belächeln und ihnen einen solchen Namen zuordnen. Jene stoisch langsam fahrenden Ich-habe-Zeit-Pensionäre, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, wollen doch auch nur einparken – und wenn es zehn Minuten dauert.
Aufregen nutzt eh nichts – man kann nur sein eigenes Verhalten anpassen. Beispielsweise niemals an einem Montagmorgen in den Supermarkt fahren. Dann ist nämlich die Dichte der Prospektstudierer mit eingeklebten, mehrfarbigen Post-its mit treffsicherer Wahrscheinlichkeit am höchsten.

Pling … „Wir öffnen gleich Kasse zwei für Sie“.
Stellen Sie sich ja nicht in den Weg und bewahren eine ausreichende Fluchtdistanz!

Denn augenblicklich schert ein Veteran von Kasse eins oder drei rücksichtslos vor Ihrem Einkaufswagen ein. Bislang wartete er zugriffsbereit in Lauerstellung ausharrend – einem Panther gleich – in Deckung hinter den Tulpen auf seinen Einsatz. Dann nutzt er schließlich in aller Ruhe die volle Länge des Fließbandes an der Kasse, um nach seinem letzten Artikel (Edle Tropfen in Nuss) das Ende seines Reviers mittels Warentrenner zu markieren. Und schließlich zahlt er passend mit einer im Vorfeld mit Bedacht sortieren Kombination aus Euro-Scheinen und Münzen.

„Tach, Ihr Einparkhilfen …“
Ihr Gregor Kelzenberg