Es ist der perfekte Sport für Menschen, die eigentlich keinen Sport mögen: Man gerät unter normalen Umständen nicht ins Schwitzen, muss sich noch nicht einmal umziehen und kann ganz nebenbei auch mal zum Wein oder Bierchen greifen: Vielleicht ist das das Erfolgsgeheimnis von Boule. Ruhig und entspannt geht es im Kurt-Schumacher-Park in Willich-Schiefbahn zu. Zwischen Ahorn- und Buchenbäumen ist wenige Meter entfernt ein sanfter Klangteppich zu vernehmen: Man hört das dumpfe Aufschlagen einer Kugel auf den Boden, das Aufeinanderklackern von Metall auf Metall und das gesellige Gemurmel einiger Menschen.
Immer mittwochs, zwischen 10 und 13 Uhr, treffen sich hier die ‚Schiefbahner Boule- und Pètanque-Freunde‘, um dem französischen National-Freizeitsport zu frönen. Hier sind es vor allem Sportler reiferen Alters, denen es weniger um den sportlichen Wettkampf, als vielmehr um die Bewegung unter freiem Himmel und die Geselligkeit geht. Und so stärkt man sich auch nicht mit Energieriegeln oder Fitnessgetränken, sondern stilecht mit Baguette oder Rotwein.
Das französische Lebensgefühl, das ’savoir vivre‘, überzeugt aber längst nicht nur in Schiefbahn. Auch beim momentan stark wachsenden Viersener Pètanque Club, in Mönchengladbach an der Bökelstraße beim TV 1848, beim Boule-Club Krefeld oder beim Pinot Boule Club in St. Tönis wird taktiert und parliert und mit Präzision und Geschicklichkeit Jagd auf das ‚Schweinchen‘ gemacht.
Es geht, ähnlich wie beim Boccia, darum, die eigenen Eisenkugeln möglichst nah an einer kleinen farbigen Zielkugel, dem Schweinchen, zu platzieren. Zusätzlich kann man die Kugeln der Gegner durch platzierte Würfe ‚wegkicken‘. Aber darum geht es nur in erster Hinsicht. Im Grunde ist Boule eine vorzügliche Feierabendbeschäftigung, die nach der Hektik des Arbeitstags zur Entschleunigung beiträgt. Der Boulespieler muss sich bisweilen in Geduld üben, taktieren können, sich auf den nächsten Wurf konzentrieren. Mindestens so wichtig wie die Würfe sind – das merkt man als Beobachter nach nur wenigen Minuten – die Diskussionen darüber.
Inzwischen hat sich Pètanque durchgesetzt, eine bestimmte Spielweise von Boule, die im Grunde als Variante für körperlich
behinderte Sportler entwickelt wurde: Anders als etwa beim Boccia darf sich der Pètanque-Spieler beim Wurf nicht aus einem zuvor gezogenen, kleinen Kreis bewegen. Durch diese Regel bestehen nahezu gleiche Voraussetzungen für Spieler aller Altersklassen. Boule spielen 18- und 80-Jährige miteinander, Männer und Frauen, Opas und Enkel.
Der Buchautor und Frankreichkenner Peter Mayle hat einmal gesagt: „Boule ist, soweit ich weiß, unter den sportlichen Frischluftaktivitäten in einem Punkt einzigartig auf der Welt: Man kann beim Spielen trinken; man mus sogar, hinlängliches
physisches Koordinationsvermögen und eine ruhige Hand vorausgesetzt, nicht mal das Glas abstellen.“
Natürlich nur in der Theorie. Denn zumindest beim Boule-Club Krefeld gilt: Auf der Bahn selbst ist Alkohol verboten.

mle