Als Stadtmensch kennt man das klassische Landleben heute fast nur noch vom Hörensagen. Im engen Familienverbund das Leben meistern, frei nach dem Motto ‚eine Hand wäscht die andere‘ oder ‚gemeinsam ist man stark‘ – den Vorstellungen vom Leben fernab des Großstadttrubels wohnt eine
gewisse Romantik inne. So ist es nicht verwunderlich, dass ‚Urlaub am Busen der Natur‘ schon längst kein unbekannter Geheimtipp mehr ist. Für die internationale Variante hat sich inzwischen die klangvolle Bezeichnung ‚Agritourismo‘ eingebürgert. Klingt doch gleich ein wenig nach Chillen und Prosecco …
Italien, Frankreich, Portugal: Die Toskana, das Rhônetal, die Gegenden hinter Frankreichs Atlantikküste und das Hinterland der portugiesischen Algarve – die Feinheiten der ländlichen Küche oder die Haute Cuisine, naturtrüber Landwein oder Grand Cru. Sie haben als Agritourist die Wahl. Das Grundprinzip ist eigentlich immer ähnlich: Statt in einem großen, teils unpersönlichen Hotel, verbringen Sie Ihren Urlaub auf einem Landgut – natürlich immer mit direktem Anschluss an Ihre Gastgeberfamilie. Die Möglichkeiten reichen dabei von einfachen Räumen bis hin zu Luxus-Suiten, die jedem Wellness-Tempel Konkurrenz machen könnten.
Agritourismo ist immer eine Art Erlebnisurlaub. Sie tauchen tief ein in das Leben der Gastgeber – man frühstückt gemeinsam und wird vertraut mit den alltäglichen Abläufen. Highlights sind meist die Abende, wenn Sie ‚Mama‘ mit traditionellen Familienrezepten verwöhnt, ‚Papa‘ Kostproben selbst gemachter Wurst oder Käse verteilt und jeder spannende Geschichten über die Vergangenheit, die Urlaubsregion oder kleine Anekdoten zum Besten gibt. Als Agritourist fühlen Sie sich fern der Heimat einfach zuhause.
Soll es etwas näher sein? Quer durch die Schweiz können Sie bei Bauernfamilien nächtigen, die ihr Angebot unter dem schönen Titel ‚Schlaf im Stroh!‘ zusammengefasst haben: Familien oder Freundeskreise sind die Zielgruppe. Schlafsack und Kissen sollten im Gepäck sein, manchmal bieten die Gastgeber zusätzliches rustikales Bettzeug an.
Besonders wird der Aufenthalt auf einem Hof – gerade, wenn Sie im Berufsleben eher an den Schreibtisch gefesselt sind – wenn Sie Ihren Urlaub als Mitmach-Reise gestalten. Vor allem die Agritourismo-Betriebe in südlichen Ländern laden ein, dort die Weinlese oder die Ernte der Oliven mitzuerleben. Entspannung durch Arbeit? Natürlich! Der Kopf wird frei, man lernt den eigenen Luxus wieder zu schätzen. Vor allem jedoch versteht man plötzlich, was wirklich hinter den ‚alltäglichen Genüssen‘ steckt. Meist darf man auch eine Probe der harten Urlaubsarbeit mit nach Hause nehmen. Sie werden sehen: Der Salat, den Sie auf der heimischen Terrasse genießen, schmeckt gleich doppelt so gut, wenn er mit dem eigenen‘ Olivenöl verfeinert wird.
Aber auch fast vor der Haustüre können Sie die frische Landluft schnuppern – dort jedoch eher als klassischen ‚Urlaub auf dem Bauernhof‘. Gerade für Kinder eine schöne Erfahrung. Am Niederrhein, im Münster- oder Sauerland gibt es Ferienhöfe der guten alten Art: Einfache Zimmer oder Appartements, rustikales Frühstück, Kinder und Eltern sind eingeladen, beim Melken, Füttern und Pflegen der Kühe zu helfen. Reitunterricht oder auch kleine begleitete Ausritte sind möglich. Ebenso fast überall Radeln, Wandern und – mindestens in der Nähe – auch Baden und Schwimmen. Wenn Sie Glück haben, muss gerade Heu eingefahren werden: Dann macht es Kindern Spaß, oben auf dem Heuwagen mitzufahren und beim Einbringen der kitzligen Ernte auf den Schober zu helfen.
‚Agritourismo‘ oder ‚Urlaub auf dem Bauernhof‘ – egal, wie Sie das Kind beim Namen nennen möchten, dahinter verbirgt sich immer die wohl beste Gelegenheit, Land und Leute von der ehrlichsten Seite kennenzulernen.

Peter Lamprecht