Als im Jahr 1943 der damals 17-jährige Tischler Ingvar Kamprad das Unternehmen IKEA gegründet hat, ahnte er gewiss nicht, dass ich eines Tages zu seinen größten Feinden (oder auch Verehrern) zählen würde. Doch der Reihe nach. Es geschah neulich an einem ganz gewöhnlichen Samstagmorgen.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kennen Sie das Gefühl, wenn man morgens im Bad vor den Spiegel tritt und das Gesicht aussieht wie ein ungemachtes Bett? Dann hilft nur ein starker Kaffee. Der Kaffeevollautomat teilt durch ein rot blinkendes Lämpchen mit, dass der Wasserbehälter leer sei. Also Wasser nachfüllen – die Gier nach Kaffee steigt schon… Als nächstes blinkt ein kleines LED Lämpchen und macht auf den leeren Bohnenbehälter aufmerksam. Also Bohnen nachfüllen, zum Glück sind welche da. Endlich Kaffee? Denkste! Hätte das Gerät eine Sprachausgabe, wäre der Hinweis gekommen, den Satzbehälter zu leeren. Nach circa 15 Minuten halte ich endlich meinen Kaffee in den Händen. Was soll heute noch schief gehen? Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da?
 
 
Nach dem Brötchenholen, Eierkochen und der Zubereitung eines Frühstücks mit frischem Obst, gesunden Cerealien und so weiter kommen auch meine Töchter an den Frühstückstisch und belagern mich mit einer folgenträchtigen Idee: „Papa, sollen wir nicht heute zu IKEA fahren?
Es regnet sowieso, Du kannst nichts im Garten tun, bla bla bla …“ Ich habe zugestimmt. Leider.
 
Es gibt in 40 Ländern der Erde 338 IKEA Häuser – ich kenne viele davon. Aber wir fahren nach Kaarst. Ausgerechnet in die meiner Meinung nach überfüllteste und unübersichtlichste Filiale… Vielleicht habe ich nur Ja gesagt, um ein paar von den kleinen Bleistiften mitgehen zu lassen.
 
Ich war schon gefühlte tausend Mal dort, seit 20 Jahren schwöre ich jedes Mal: Nie wieder! Aber ich bin es ja selber schuld. Apropos selber: Die Freude vom Selber-aussuchen, Selber-nach-Hause-tragen, Selber-ins-Haus-schleppen und Selber-zusammenschustern geht ja schon auf dem Parkplatz los.
 
Es gibt Parkplätze für Frauen, Parkplätze für Menschen mit Kinderwagen, Parkplätze für Behinderte, Parkplätze für Familien mit Van – nur meine Kategorie ist nicht mittels Piktogramm auf den Teer gebannt. Genervte Väter mit zwei kaufwütigen Töchtern und Muttis ohne Einkaufszettel, die sich einfach nur mal so treiben lassen möchten, parken am besten am Stadtrand.
 
Der Vormittag geht fürs Aussuchen drauf, der halbe Nachmittag fürs Warten im nahegelegenen Abhol-Lager, der Rest der Woche fürs Aufbauen. Trotz einer abgeschlossenen Ausbildung zum Tischler und einem Profi-Equipment an akkubetriebenen Gerätschaften zum Aufbau eines Schiebetüren-Schrankes liegen die Nerven blank. Da hilft auch der locker umgeschnallte Tooltime-Gürtel von Bob dem Baumeister nicht weiter.
 
Der Typ auf der 30-seitigen Bedienungsanleitung mahnt immer mit einem grimmigen beziehungsweise grinsenden Gesicht, sich tunlichst an die Aufbauanleitung zu halten. Habe ich auch – dachte ich zumindest. Erst kurz vor den letzten Arbeitsschritten merkt man, dass die linke
Außenseite mit den Bohrungen zur Aufnahme der Sockelblenden eigentlich spiegelverkehrt hätte eingebaut werden müssen.
 
Irgendwann nach Mitternacht, einer halben Pizza und drei Gläsern Chardonnay steht dann endlich der Schrank und die Schiebetüren gleiten lautlos durch die Nacht.
 
Beim nächsten Mal können mich meine Töchter in Kaarst im Kinderparadies abgeben oder an den Hot Dog Automaten anketten. Man soll eben niemals nie sagen.
 
 
Ihr Gregor Kelzenberg
 
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