Die besten Geschichten schreibt das Leben. Noch druckfrisch sind zwei Romane, die von Persönlichkeiten handeln, die in Mönchengladbach lebten. Autorin Ute Bales berichtet in ‚Großes Ey‘ über Johanna Ey, die aus ärmlichen Verhältnissen stammend zu einer angesehenen Kunsthändlerin wurde. Im Buch ‚Diamanten Eddie‘ setzt Sabine Kray ihrem Großvater ein liebevolles Denkmal.
 
Diamanten Eddie – Der Name klingt wie aus der Dreigroschenoper oder einem fröhlichen Gaunerfilm der 50er Jahre. Aber Diamanten Eddie ist keine unterhaltsame Kunstfigur, sondern hat wirklich gelebt. Seine Enkelin Sabine Kray ist auf Spurensuche gegangen und hat die Geschichte ihres Großvaters, den sie nie selbst kennengelernt hat, aufgeschrieben. Das Ergebnis ist ein spannendes Buch, das die Geschichte eines Menschen erzählt, der an der Oberfläche ein charmanter Edel-Ganove war, im Innern aber ein zerrissener, verstörter Mensch.
Als 15-Jähriger verliert er in Polen bei einem Bombenangriff seine Familie, wird von der Gestapo verhaftet und muss Zwangsarbeit leisten. Nach dem Krieg bleibt er in Deutschland und entdeckt sein Talent für das Stehlen. Kostbare Pelze und Juwelen sind seine Spezialgebiete. Sabine Kray nimmt den Leser mit auf die Raubzüge, er schaut Eddie über die Schulter, wenn er Schwierigkeiten hat, ein Schloss zu knacken und er leidet mit ihm, wenn er von den Nazis gequält wird – im Lager wie in seinen Erinnerungen.
Was dem Roman einen zusätzlichen Reiz verleiht, ist die Tatsache, dass Edward Kray, wie er bürgerlich hieß, in den 70er Jahren in Mönchengladbach lebte. Er war Stammgast in den Lokalen an der Waldhausener Straße. Einige seiner Wegbegleiter leben noch heute, der bekannteste unter ihnen dürfte Günter Netzer sein.
Sabine Kray verzichtet auf eine chronologische Erzählung und beugt so jedweder Gauner-Romantik vor. Der Leser wird eine Seite nach einer Party-Nacht im Lovers Lane 1971 direkt in das Zwangsarbeiterlager 1939 katapultiert und wieder zurück zu einem Einbruch in den 50er Jahren. Das ist berührend und aufwühlend.
Diamanten Eddie von Sabine Kray  
erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt
699 Seiten | 24,90 €
Manchmal ist es ein großes Glück, wenn man verlassen wird. Auch wenn Johanna Ey das vielleicht nicht so empfunden hat, als ihr gewalttätiger Mann Robert hinter sich die Tür schloss. Da war sie 40 Jahre alt. Sie eröffnete einen Backwarenhandel in direkter Nachbarschaft zur Kunstakademie, um sich und ihre vier Kinder durchzubringen. Viele der Künstler gehörten zu ihren Gästen. Weil die oft klamm waren, überließen sie ihr irgendwann Bilder, die Johanna verkaufte.
Ute Bales hat die Geschichte der mutigen Frau, die immer wieder aufstand, in einen packenden Roman gefasst. Was oft gar nicht bewusst ist: Johanna Ey hat nicht nur zwei Weltkriege und die Nazis mit ihrem Kampf gegen entartete Kunst überstanden. Im Alter von 80 Jahren hat sie nochmals neu angefangen und ihren Kunsthandel kurz vor ihrem Tod 1947 neu eröffnet.
Im Buch begegnet der Leser vielen Künstlern, darunter bekannte Namen wie Otto Dix und Max Ernst. Wer sich in der Kunstgeschichte nicht so gut auskennt, bekommt Lust, sich mit den Geschichten der Künstler und ihren Werken zu beschäftigen. Ute Bales erzählt in einer sehr lebendigen Sprache. Dadurch ist der Leser mitten im Geschehen. Er ist beim geselligen Abend im Backhandel genauso dabei wie im Bombenhagel auf Düsseldorf. Bales verzichtet darauf, Johanna Ey als Heldin zu überhöhen. Sie bleibt im Roman eine einfache Frau, die das Leben anpackt, die aber auch ihre Zweifel und Ängste hat. Der Roman ist eine Hommage an eine mutige und starke Frau, für die Aufgeben keine Option war.
Großes Ey von Ute Bales
erschienen im Rhein-Mosel-Verlag
 432 Seiten | 22,80 €
Garnet Manecke