Shakespeares Romeo schmachtete unter dem berühmten Balkon seiner Julia in Verona – Schauplatz der vermutlich berühmtesten Liebestragödie der Weltliteratur. Aber nicht nur Verona und der Julia-Balkon eignen sich als Ziel einer Entdeckungsreise mit der aktuellen Dame oder dem Herrn des Herzens zum Valentinstag am 14. Februar. Auch den berühmtesten Liebhabern der Weltliteratur lässt sich auf spannende Weise an Originalschauplätzen nachspüren: Valentins-Ziele, die an Don Juan, an Casanova oder Lady Chatterley’s Lover, den Wildhüter Oliver Mellors, erinnern.
 
Rassiges Spanien
Bereits milde 17 bis 18 Grad Außentemperatur bietet beispielsweise Andalusiens prächtige Hauptstadt Sevilla im Monat Februar. Das einstige Zentrum der maurischen Herrschaft in Spanien glänzt mit prächtigen Plätzen, historischen Kathe-dralen und dem malerischen Stadtviertel Santa Cruz ebenso wie mit dem antiken von Julius Cäsar erbauten Aquädukt und dem prächtigen Alcázar-Palast, bis heute Sitz des Königs bei seinen Aufenthalten in Andalusien.
Multikulturelle Vergangenheit und der Reichtum, der aus den Eroberungen der ‚Neuen Welt‘ über den Hafen Sevilla ins Land gespült wurde, bestimmen bis heute das Bild jener Stadt, in der die Tapas erfunden wurden, der Flamenco entstand – und in der Spaniens berühmtester Liebhaber der Weltliteratur seinen ruhelosen Weg begann: Don Juan. Ruhelos auf Reisen war dieser Urtyp des Frauenverführers seit dem 17. Jahrhundert. Ein ‚Jäger‘ auf der Suche nach Selbstbestätigung, ein feuriger Liebhaber, geprägt durch das Männerbild seiner Zeit, der zwar körperliche Leidenschaft sucht, ohne echte Liebe zu benötigen – eigentlich der Urvater des heutigen ‚Machos‘. Doch es geht natürlich auch anders in und um Sevilla im Valentins-Monat: Der Atlantik ist nicht weit und Spaniens Costa de la Luz bietet genau wie die nahe portugiesische Algarve-Küste viele stille, romantische Ecken für Verliebte, die den Wind des Ozeans nicht fürchten. Dazu die Schönheiten des nahen Granada, die weißen Mauern von Cádiz, der ältesten Stadt Europas, der Fels von Gibraltar und das Frühlingserwachen an der andalusischen Mittelmeerküste.
Romantisches Italien
Weitaus frischer sind die Temperaturen noch in der Weltmetropole aller Liebenden, der italienischen Lagunenschönheit Venedig. Da kann es über der Seufzerbrücke und dem Canale Grande schon noch grau werden bei um die sieben Grad Celsius. Aber in diesem Jahr fallen Valentinstag und Karneval zusammen – da übertönen die prächtigen Kostüme der venezianischen Verkleidungskünstler ohnehin jede Wetterstörung mit Leichtigkeit.
In Venedig ist der Geist des dort geborenen Giacomo Girolamo Casanova allgegenwärtig: Schriftsteller, Abenteurer und real existierender Liebhaber im 18. Jahrhundert, ein früher Weltreisender zumal. Casanova, von der Inquisition eingekerkert, gelang die Flucht – und das war der Ausgangspunkt ruheloser Reisen. Stationen waren nicht zuletzt Padua, Genf, später Prag und auch
St. Petersburg. Immer wieder verliebte der galante Italiener sich neu. Eines der überlieferten Zitate steht bis heute für seine Schule der Verführung: „Je mehr Liebe im Spiel ist, desto größer ist der Genuss.“ Das ist das Credo des ‚Italian Lover‘ bis heute. Erinnerungsstücke an den großen Verführer finden sich allerdings nicht in Italien, sondern in dem Land, in dem 1798 Casanovas Leben endete: in Tschechien.
Raues England
Wer die Welt des Oliver Mellors erkunden möchte, muss sich hingegen nach Nottinghamshire in England begeben. Dort kann man Teversal Manor besuchen, das Vorbild für den Herrensitz ‚Wragby Hall‘ im Roman ‚Lady Chatterley’s Lover‘, den D. H. Lawrence 1928 veröffentlichte. Der raue Wildhüter und Titelheld Oliver Mellors hat so gar nichts von der eleganten Liebeslust des Casanova, auch die Finessen des Don Juan sind ihm eher fremd. Die adlige Lady Chatterley verfällt dem grobschlächtigen Mann aus der ihr völlig fremden Gesellschaftsschicht gerade wegen seiner ungezügelten Animalität – und feinfühlige Besucher der im Februar eher unwirtlichen Gegend von Teversal Manor meinen, die Besonderheit des Ortes regelrecht zu spüren.
Ob es aber in den Romanen rau und ruppig, elegant drängend oder romantisch-verzückt zugeht – Valentins-Reisende finden doch an jedem Schauplatz dieser Welt allemal den ganz eigenen Weg, Ort und Zeit am Ende zu vergessen …
Peter Lamprecht