Als Vivienne Westwood mit ihrer Punk-Mode in den 1970er Jahren Aufsehen erregte, entwarf sie noch keine eigenen Kollektionen. Der Punk ist inzwischen Vergangenheit, ihr unkonventioneller Umgang mit Mode und die politische Botschaft sind nach wie vor Markenzeichen der Designerin. Am 9. Juni kommt sie nach Mönchengladbach.
An der Hochschule Niederrhein herrscht Aufregung. Unter der Leitung von Designerin Kerstin Schaum bereiten die Studierenden eine Modenschau vor. Das ist nicht weiter ungewöhnlich, schließlich zeigen die angehenden Modeschöpfer zu jeder Hausmesse ‚MG zieht an‘, was sie so können. Aber dieses Jahr ist es anders. Denn einige Stücke werden der Londoner Designerin bei ihrem Besuch in einer Show präsentiert.
„Wir wollen sie nicht langweilen und denken nach, womit wir ihr ein Lächeln aufs Gesicht zaubern können“, sagt Kerstin Schaum. Für die Studierenden sei sie eine Ikone der Mode. „Dadurch, dass sie die Punk-Bewegung gefördert hat, hat sie für die heutige Generation einen Klassiker geschaffen.“ Entsprechend aufgeregt sind die angehenden Jung-Designer. In den Ateliers rauchen die Köpfe, die Nähmaschinen werden zum Glühen gebracht. Denn ob der eigene Entwurf nachher auf dem Catwalk gezeigt wird, steht noch nicht fest. Schaum rechnet damit, dass die Studierenden etwa 100 Outfits einreichen werden. Für die Show am 9. Juni aber sind nur zehn Minuten angesetzt. „Wir werden dafür eine Auswahl treffen müssen“, sagt Schaum.
Das große Interesse der Studenten spürt auch Jacqueline Bourgeois, MGMG-Projektleiterin. Sie organisiert den Besuch auf eine Einladung des Initiativkreises. „Wir bekommen viele Anfragen von Studenten, die Vivienne Westwood begleiten wollen, um in ihrer Nähe zu sein“, erzählt sie. „Das können wir aber leider nicht leisten.“ Trotzdem werden die Studenten ihr Idol live erleben können. Denn beim Campus-Gespräch ist Westwood in diesem Jahr Gast.
Dabei werden die Studenten feststellen, dass die Mode-Ikone zwar äußerlich bürgerlicher geworden ist, aber keineswegs ruhiger. Politisch engagiert sie sich für Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Das zeigt auch ihr Vortrag „Das Ende des Kapitalismus und wie es die Welt beeinflusst“, den sie abends in der Kaiser-Friedrich-Halle halten wird. Das Interesse daran ist groß. „Die Karten waren schon Mitte Februar ausverkauft“, freut sich Bourgeois. Als Projektleiterin kümmert sie sich um Flüge, Hotelunterbringung und Transfer, verschickt Einladungen und erfüllt Extra-Wünsche. Dabei ist sie auch im regen Kontakt mit Vivienne Westwood und deren Mitarbeitern. Die haben gerade ihren Entwurf für die Einladung geschickt: Auf dem Bild ist die Designerin mit raspelkurzen, weißen Haaren in buntem T-Shirt und Schotten-Karo zu sehen. Dazu ein gezeichnetes Herz mit einem Flügel. Dass Westwood Jahrgang 1941 ist, sieht man ihr nicht an.
Ihre erste eigene Kollektion ‚Pirate‘ präsentierte Vivienne als Designerin 1981 in London. Vorher bediente sie sich der Konfektionsmode. Sie zerriss die Stücke, trennte sie auf und kombinierte sie neu, verknotete sie, setzte Slogans darauf oder Reißverschlüsse. So entstand die Punk-Mode. Ihr Metier lernte die frühere Grundschullehrerin autodidaktisch, indem sie den Dingen auf den Grund ging. So trennte sie am Anfang ihrer Laufbahn viele Kleidungsstücke auf, um sich den Schnitt genau anzusehen. Dann nähte sie alles wieder zusammen.
Auch bei ihrem Besuch in Gladbach geht sie der Textilgeschichte auf den Grund. In einer privaten Führung wird sie das TextilTechnikum im Monforts-Quartier besichtigen, um sich unter anderem die historischen Webstühle anzusehen.
Garnet Manecke