Zum 20. Mal ist der 23. April Welttag des Buches. Die UNESCO hatte ihn 1995 ausgerufen. Ein Grund, das Abenteuer Lesen zu feiern. Wer auf der Suche nach guter Literatur ist, sollte sich auf jeden Fall in Gladbachs kleinen Buchhandlungen und Antiquariaten umschauen. Dort können echte Schätze entdeckt werden.

Mal ehrlich: Lesen kann eine ausgesprochen unangenehme Angelegenheit sein. Jeder Schüler, der sich durch Cäsars Gallischen Krieg quälen musste, kann ein Lied davon singen. Nun ist die literarische Qualität Cäsars umstritten. Aber sie erfüllt doch einen wesentlichen Punkt des Lesens: In seinem Werk eröffnet der römische Feldherr seinen Lesern eine neue, unbekannte Welt.
Und genau das ist der Reiz des Lesens. Ob Liebesroman, Krimi, Historienschinken, Biografie, Fotoband, ja, sogar im Sachbuch nimmt man Seite für Seite am Leben und Gedanken anderer Teil. Wer liest, sammelt Wissen an und beginnt, weiter zu denken. Das ist schon bei kleinen Kindern zu beobachten, die angesichts von Bilderbüchern selbst Geschichten erzählen und Fragen stellen. Darin liegt die Macht der Bücher. Herrscher in totalitären Systemen wissen das. Deshalb fürchten sie viele Bücher und verbieten schlicht ihre Lektüre. Aber das Lesen zu verbieten ist, wie das Denken zu verbieten: Es klappt nicht.
Mit seiner Erfindung der Druckpresse mit beweglichen Lettern revolutionierte der Mainzer Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts den Buchdruck. In der Folge wurde er in großen Stückzahlen möglich und so das Lesen demokratisiert. Wenn auch noch einige Jahrhunderte ins Land zogen, bis in Deutschland jeder Mensch Zugang zu Büchern hatte und lesen lernte.

Was Menschen vor 300 Jahren bewegte
Einen Einblick, was Menschen damals bewegte, erhält man im Antiquariat am St. Vith. Die Tür zu diesem kleinen Buchladen ist das ‚Sesam öffne Dich‘ in die Vergangenheit. In den Regalen und Vitrinen schauen einem Lederrücken mit Goldlettern entgegen. Aufgeschlagene Bücher zeigen Kupferstich-Illustrationen. Wer hier auf der Suche nach geistiger Nahrung ist, gehört meist nicht zur Spezies der gemeinen Leseratte, sondern zu den Sammlern und Liebhabern der Druckkunst. Oder er ist schlicht auf der Suche nach einem Exemplar, das im Handel schon vergriffen ist.
Wo sonst findet man ein Buch mit einem Titel wie ‚Chirurgie, in welcher alles, was zur Wund-Artzney gehöret, nach der neuesten und besten Art gründlich abgehandelt und in vielen Kupffer-Tafeln die neu erfundenen und dienlichste Instrumenten, nebst den bequemsten Handgriffen der Chirurgischen Operationen und Bandagen deutlich vorgestellt werden‘? Das Werk von Lorenz Heister stammt aus dem Jahr 1739 und zeigt auf 896 Seiten, was vor 300 Jahren modernster medizinischer Standard war. Den Pergamentseiten ist ein Vorleben anzusehen.
Nicht nur Sachbücher vermitteln Wissen und analysieren gesellschaftspolitische Fragen. Auch in der Belletristik greifen Autoren in Romanen viele Fragen auf. Auf diese Weise machen sie sperrige oder auf den ersten Blick unattraktive Themen den Lesern leicht. Diesen Umstand nutzt Dr. Rita Mielke, Initiatorin des mit dem Deutschen Lesepreis ausgezeichneten Festivals ‚Korschenbroich liest‘. Auch das Literatur- und Lesefestival ‚Horizonte. Himmelwärts‘ hat sie mitinitiiert. Dieses läuft parallel zum Ausstellungsprogramm des Kulturgeschichtlichen Museumsnetzwerks am Niederrhein und hat in diesem Jahr den Themenschwerpunkt Religion und Konfession in der Region
Schriftsteller bereiten sperrige Themen spannend auf
„Die Idee für das Rahmenprogramm war, zu zeigen, wie sich Religion in zeitgenössischer Literatur darstellt“, sagt Mielke. Sie selbst gestaltet einige Lesungen und Gesprächsabende in der Reihe. Rund 50 Veranstaltungen in zwölf Städten bietet das Festival, das noch bis 21. Februar 2016 läuft. Viele bekannte Autoren aus verschiedenen Genres nehmen daran teil. Dass das Thema durchaus auf großes Interesse stößt, zeigte Mielkes Abend in der Buchhandlung Wackes. Dort präsentierte sie, wie sich Schriftsteller wie Bertolt Brecht, Daniel Kehlmann, Christoph Peters oder Ian McEwan den Themen Religion und Glauben annehmen. Von der Bibel als Inspirationsquelle über die Kindheit in einer religiösen Umgebung und deren Folgen bis hin zum Fundamentalismus reicht die Spannweite.
Solche Lesungen sind für die Besucher nicht nur der Inhalte wegen interessant. In der Regel streift dabei der Blick auch mal über die Regale der Buchhandlung. Bei einem Traditionsgeschäft wie Wackes, das seit 66 Jahren in Mönchengladbach ist, zeigt sich: Es braucht kein Chi-Chi, um bei den Kunden die Lust auf das Lesen zu wecken. Die Regale sind an Schlichtheit nicht zu überbieten, nichts lenkt von den Büchern ab. Und so fällt der Blick auf Werke über Vogelkunde, im Kinder- und Jugendbereich haben die Nachwuchsleser schnell einen Überblick und auch das Thema Reise wird hier großgeschrieben. Im hinteren Teil des Ladens eröffnet sich die Fachbuchabteilung mit Büchern zu Wirtschaft, Steuern und Recht.
Wie das Antiquariat am St. Vith, die Buchhandlungen pro libri oder Degenhardt setzt Wackes nicht allein auf das Angebot im Ladenlokal. Auch über das Internet können die Kunden stöbern und sich Appetit holen. Online-Bestellungen sind genauso möglich wie beim Internetgroßhändler – mit einem entscheidenden Vorteil: Wer Beratung oder eine gute Empfehlung braucht, kann zum Telefon greifen und bekommt direkt einen Ansprechpartner. Sogar telefonische Bestellungen sind möglich.
Aber wer die sinnliche Erfahrung des Lesens auch im digitalen Zeitalter schätzt, der wird sich den Weg in die Buchhandlung seines Vertrauens nicht nehmen lassen. Denn das leise Knarzen, wenn der Buchdeckel aufgeklappt wird, das Gefühl, wenn die Finger über die Seiten streichen und den verheißungsvollen Geruch des frischen Drucks gibt es nur beim Stöbern in der Leseecke.
INFO
Programm-Download
der Reihe Horizonte unter
www.kulturraum-niederrhein.de
 
LINKS
www.antiquariat-am-st-vith.de
www.wackes-buch.de
www.prolibri-buchladen.de
www.buchhandlung-degenhardt.de