Jedes Jahr erwacht der Hoppediz am 11.11. und reibt sich seine schlaftrunkenen Augen, um dann mit Schwung mitten in das Stadtleben zu hüpfen und die Mönchengladbacher mit dem Karnevals-Virus zu infizieren. Rote Nasen gehören ab dann zum Straßenbild, lange bevor die Grippewelle über die Stadt schwappt. Ein merkwürdiges Verhalten erfasst die Bürger, das sich immer mehr steigert und sich schließlich in einem großen bunten Umzug entlädt.
Schon vor 2000 Jahren feierten die Germanen am 11.11. das Erntedankfest, um Wotan zu ehren.
Knechte und Mägde bekamen ihren Lohn und feierten den Geldsegen ausgelassen in Wirtshäusern.
Hier sehen die Historiker den Ursprung des Karnevals.
Ein Held muss her
Lange war Mönchengladbach gegen den Virus immun. Aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts findet er auch in dieser Stadt reichhaltigen Nährboden, um sich blitzartig auszubreiten. Die Gastwirte brachten ihn in die Stadt.
Sie veranstalteten Casino- und Entreebälle, bei denen sich die Gäste verkleideten. Einige findige Bürger in Köln kamen auf die Idee, einen Zug durch die Stadt zu organisieren. Natürlich musste es jemanden geben, der die Narren dazu brachte, in eine Richtung zu gehen. Das konnte nur ein wahrer Held und so bekam ‚Held Karneval‘ seinen Job.
Gladbach gefiel die Idee aus Köln so gut, dass sie kurzerhand übernommen wurde. Weil ‚Held Karneval‘ seine Aufgabe sehr gut machte, wurde er zum Prinzen befördert. In den folgenden Jahren gründeten sich die ersten Karnevalsvereine wie 1857 die ‚KG Spönnradsbeen‘, die älteste Karnevalsgesellschaft der Stadt. Hinter verschlossenen Türen feierten die Narren ihren Karneval und zeigten sich nur bei Umzügen auf den Straßen.
Lizenz zur Verkleidung
Der strengen preußischen Obrigkeit gefiel das bunte Treiben nicht. Vor allem die kritischen und satirischen Äußerungen der Narren missfielen ihr. Verbieten aber konnte sie es auch nicht. Deshalb versuchte sie wenigstens, ein bisschen Ordnung hineinzubringen. Wer sich maskieren wollte, musste bei der Polizei eine Lizenz zur Verkleidung erwerben. Das Ticket kostete eine Armenabgabe von 25 Pfennig, und war jeweils nur an einem der drei Karnevalstage gültig.
Auch als die Preußen längst das Gladbacher Feld geräumt hatten, behielten die Narren die Tradition des Spendens für soziale Zwecke bei. Das Spendenaufkommen liegt heute zwischen 50.000 bis 60.000 Euro. Einen guten Anteil daran hat die kleinste Karnevalsgesellschaft Mönchengladbachs ‚Kinner Jloevet‘ n.e.V., die aus drei aktiven Mitgliedern und einer sich jede Session verändernden Anzahl passiver Mitglieder besteht. Mit ihrer Gründung 1992 ist sie eine der jüngsten Karnevalsgesellschaften Gladbachs. Den Jüngsten gilt auch der Einsatz des Narren-Trios, das die Mitgliedsbeiträge der passiven Mitglieder jedes Jahr den Kinderkliniken in Neuwerk und im Elisabeth-Krankenhaus spendet.
Lange Jahre gingen die Karnevalisten in Mönchengladbach und Rheydt getrennte Wege, die sich gelegentlich kreuzten. Beide Stadtteile organisierten ihren eigenen Zug und ihre eigenen Veranstaltungen, aber die Schwerpunkte waren unterschiedlich: Während die Gladbacher politischen Karneval liebten, rückten die Rheydter Jecken den Kinder- und Familienkarneval in den Mittelpunkt.

Mit der Gebietsreform 1975 verschoben sich auch die karnevalistischen Grenzen.
Als die Rheydter ihren Rosenmontagszug verloren, kompensierten sie den Verlust in alter Germanen-Tradition mit dem Sturm des Rathauses. Bis heute ergreifen die Narren jede Session auf diese Weise die Macht in der Stadt.
Und so wurde aus dem Veilchendienstagszug ein gut getarnter Triumphzug.   Garnet Manecke


Lesetipp:
Karneval in Mönchengladbach
Historische, politische und gesellschaftliche Bedeutung
des Mönchengladbacher Karnevals // von Bernd Gothe


Kleines Karnevals-Lexikon
Für Neu-Mönchengladbacher ist es nicht immer einfach, sich im Karneval zurechtzufinden.
Deshalb werden hier Begriffe erklärt, mit denen sich auch der Neu-Karnevalist wie ein alter Hase unter die Narren-Schar mischen kann.
All Rheydt & Halt Pohl
Schlachtrufe im Karneval: „All Rheydt“ heißt „Alle Rheydter“, und wurde 1935 von Jupp Braun aus Köln, Gründer der Rheydter Karnevalsgesellschaft, erdacht.  Der Gladbacher Schlachtruf „Halt Pohl“ wurde 1996 aus 1043 Vorschlägen nach einem öffentlichen Aufruf ausgewählt. „Halt Pohl“ heißt „Halt die Stange“ und bedeutet „Nie aufgeben“.
Bier
Das bevorzugte Getränk im Karneval ist das Bier. Je nach Geschmack wird es obergärig in Form von Altbier oder untergärig als Pils getrunken. In dieser Session muss der Karnevalist auch mit dem vermehrten Aufkommen von Kölsch rechnen, weil das in der Stadt gerade sehr modern wird. Da der Karneval in Köln das Vorbild für die Gladbacher Narren war, wird mit dem Genuss von Kölsch eine alte Tradition fortgeführt.


Elferrat
Bei Sitzungen ziert eine Reihe von elf Herren in eigenartiger Montur den Hintergrund der Bühne. Das ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Spieler der Borussia, sondern der Elferrat. Er ist mit seinen Narrenutensilien nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern ist auch das Gedächtnis des Präsidenten der Sitzung, wenn der vor lauter Bützchen die Welt um sich herum vergisst. Im Vorfeld hat der Elferrat in der Regel die Veranstaltung geplant und organisiert.
Karnevalsmütze
Ohne Kopfbedeckung geht der Gladbacher Jeck nicht aus dem Haus. Bei offiziellen Vertretern von Karnevalsgesellschaften gehört die Mütze zu Uniform oder Ornat, an deren Form und Farbe man die Karnevalsgesellschaft sowie den Rang des Trägers erkennt. Bei Freizeit-Jecken hat die Karnevalsmütze meist rein schmückende Funktion und kann sowohl als Mütze, Hut oder auch Perücke auftreten.
In jedem Fall wärmt sie die Ohren, wenn das Klima beim Veilchendienstagszug das Kostüm von Väterchen Frost trägt.
Niersia
Lieblich plätschert die Niers durch die Parks und Wälder in Mönchengladbach. Das Flüsschen erfreut viele Spaziergänger. Charaktereigenschaften, die auch der Karnevalsprinzessin zueigen sind.
Mit liebreizendem Charme begleitet sie den Prinzen und erfreut die Jecken in den Sälen und beim Straßenkarneval.
Pappnase
Ohne das Riechorgan der Narren geht gar nichts. Aber schon lange ist es nicht mehr aus Pappe, sondern vielfach reicht es den Narren, ihre Nase mit ein wenig Schminke zu verändern. Wer seine Nase neu formen will, greift bevorzugt zu Modellen aus Latex. Aus diesem Material gibt es auch Ohren und künstliche Hände.
Die Nase aber steht so unangefochten an Nummer eins der Beliebtheitsskala, dass Pappnase auch ein Synonym für Jecken oder Narren ist.
Prinz & Prinzessin
Auch im Karneval gibt es Aristokratie. Der Prinz regiert die Narren während der Session. Als ‚Held Karneval‘ hat er einst den Job als Leitfigur der Jecken übernommen. Die Aufgabe hat er so gut erfüllt, dass er zum Prinzen befördert wurde. Als schmückendes Beiwerk wurde ihm die Prinzessin zur Seite gestellt. Aber die hatte keine Lust als lebende Brosche nur hübsch zu sein und mischt sich nun kräftig in das karnevalistische Geschehen ein.
Das Amt des Prinzenpaares wird jede Session weitergegeben.
Rosenmontag & Veilchendienstag
Dass der Rosenmontag etwas mit einer dornenreichen Blume zu tun hat, ist unwahrscheinlich.
Näher liegt die Vermutung, dass sich der Rosenmontag von dem Verb ‚rasen‘ im Sinne von toben oder tollen ableitet. Aber Narren sind Romantiker und deshalb bevorzugen sie die Blumen-Variante.
Und weil Karneval bunt ist, binden sie den Rosenmontag mit dem Tulpensonntag, dem Veilchendienstag und dem Nelkensamstag zu einem schönen Strauß.
Tusch
Ist bei Büttenreden die Belohnung für eine gelungene Anekdote.
Auch sehr hilfreich, wenn sich eine Pointe so gut versteckt hat, dass das Publikum eine kleine Hilfestellung braucht.  

Garnet Manecke