Neulich vor dem Kindergarten … Keiner da! Die Erzieher streiken. Also werden die Kleinen wieder eingepackt und ab nach Hause. Nach einem anstrengenden Tag mit Fulltime-Kinderbetreuung ruft mein Mann an und erzählt mir, dass er später kommt, weil er im Stau steht. Der Grund: Die Bahn streikt und jeder nutzt das Auto. Also darf ich die Kinder auch allein ins Bett bringen. Als er endlich da ist und ich völlig fertig auf der Couch sitze, sagt er allen Ernstes: „Ich habe die Kreditkarten-Rechnung überprüft. Es werden jetzt erst mal keine Kleider mehr gekauft!“
Was?! Das kann ja nur ein Witz sein. Nur, weil mein Verdienst meine Ausgaben nicht deckt, muss er nicht den Ernährer der Familie raushängen lassen. Mein Mann versteht einfach nicht, dass ich die Kleider testen muss, um einen fundierten Artikel schreiben zu können. Mein Job als Mode-Redakteurin ist ja auch kein Zuckerschlecken. Er stellt sich das so vor: Ich sitze mit einer Tasse Kaffee auf der Couch und lese in einschlägigen Magazinen, schlendere durch die Stadt auf der Suche nach Luxusschnäppchen und treffe mich mit Freunden zum Frühstücken. Nix da! Was vielleicht für den Unwissenden so aussieht, ist in Wirklichkeit knallharte Recherche, gezielte Marktanalyse und intensives Brainstorming. Ich will es mal so formulieren: Nichts für schwache Nerven.
Nun hat sich mein Leben im letzten Monat grundlegend geändert. Wie bei vielen anderen wurde auch mein geliebter Tagesablauf neu gestaltet. Warum? Meine Kinder waren wegen des Kindergartenstreiks von morgens bis abends zu Hause. Klar, das ist schön. So hatte ich noch mehr von den kleinen ‚Süßen‘. Nun zur Kehrseite. Mein Job hat sich dadurch grundlegend geändert. Überstunden, keine Pausen und Mobbing am Arbeitsplatz sind gar nichts gegen die Tage, an denen ich mit Essen beworfen und mit verschiedenen ekligen Flüssigkeiten beschmiert werde. Zum Teil bin ich sogar abschreckenden Kampfszenen und bitterlichem Geheul ausgesetzt. Im Großen und Ganzen untragbare Bedingungen.
Dass Marsalarot die neue Trendfarbe ist, wundert mich nicht mehr. Schließlich gehen bunte Westen im Moment streikbedingt immer häufiger über den Ladentisch. Der Antifit-Style ist eh im Kommen und deshalb hab auch ich mir ein Warnwestchen übergestreift und streike. Jetzt schreibe ich einfach mal nicht über Mode. Kein einziges Wort. Die aktuellen Trends verrate ich Ihnen auch nicht. Sie dürfen sich also dieses Mal nicht über einen interessanten, lustigen und vielfältigen Artikel aus meiner Feder freuen.
Es tut mir wirklich leid, dass ich zu dieser Maßnahme greifen muss. Sie möchten jetzt wahrscheinlich am liebsten das Magazin in die Ecke werfen und schreien. Sie fragen sich sicherlich, warum Sie die Leidtragenden der Unbarmherzigkeit meines Mannes sind. Diese ganze Wut können Sie ja sammeln und sich vielleicht geschlossen mit einer Petition bei meinem Mann beschweren. Der kann dann ruhig mal den Druck der gesamten Öffentlichkeit spüren.
Ach ja, natürlich räume ich auch nicht mehr auf, wasche keine Wäsche mehr und koche auch kein Essen! Mal schauen, wie lange er durchhält …
… oder ob ich doch noch mal die Kreditkarte für ein oder zwei Sommerkleidchen benutzen darf.