Öfter mal was Neues. Dies ist doch der Leitsatz eines abwechslungsreichen Lebens. Hin und wieder sollte man einfach mal Unbekanntes probieren, Experimente wagen und sich auf ‚fremdes‘ Terrain begeben. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass einem dann viel Aufregendes begegnet, das den eigenen Horizont erweitert und vielleicht auch zum Umdenken anregen kann.
So durfte ich vor einiger Zeit bereits dank Holger Böker die Welt der veganen Küche erleben – und war restlos begeistert. Seitdem sehe ich diese Form der Ernährung mit anderen Augen, auch wenn ich nicht ganz auf tierische Produkte verzichten möchte. Umso erschreckender war die Nachricht, dass der ‚Vegan-Profi‘ dem Geneickener Bahnhof den Rücken kehrt. Sollte es das jetzt tatsächlich gewesen sein? Nein! Denn er hat nicht einfach eine Tür geschlossen, ohne eine andere zu öffnen und ist nun stolzer Betreiber des Richard Wagners. Das verspricht doch die perfekte Kombination aus Alt und Neu zu sein. Eine Probe aufs Exempel war also nur eine Frage der Zeit.
Und so sitzen wir heute in der urigen
Atmosphäre der Traditionsgaststätte, die schon in der Vergangenheit echten Kultstatus genoss. Die von Holz dominierte Einrichtung ist geblieben, Kerzenleuchter vor den Rundbogenfenstern sorgen für Gemütlichkeit und doch wurden hier und da moderne Akzente gesetzt – da muss man sich einfach wohlfühlen.
Der Blick auf die Karte – oder sollte ich lieber sagen auf die Karten – lässt aufatmen. Der veganen Küchenkunst ist hier immer noch ein großer Teil der Küchenausrichtung gewidmet und so finden sich sowohl Frühstücksvariationen, spezielle Mittagsangebote als auch Gerichte für den Abend, die teils oder ganz ohne tierische Beteiligung auskommen. Wunderbar, aber trotzdem kombinieren wir heute Abend fleischlose mit ’normalen‘ Angeboten.
Den Auftakt bilden einmal eine fruchtig-pikante Kürbis-Mango-Suppe und der gebackene Ziegencamembert mit Feigen-Kirschchutney an Rucola-Salat. Beide Gerichte überzeugen durch das Zusammenspiel von zarter Süße und herzhafter Würze. Vor allem den Käse darf man jedem empfehlen, der sich schonend an den Genuss von Ziegenmilchprodukten herantasten möchte. Die charakteristische Note ist zwar schön ausgeprägt aber nicht übermächtig. Besonders das Zusammenspiel mit dem hausgemachten Chutney sorgt für aufregende Geschmacksexplosionen. Das Salätchen kann noch etwas Würze vertragen, da aber Pfeffer, Salz & Co. auf den Tischen stehen, kein echter Kritikpunkt.
Die Hauptgerichte hingegen offenbaren wieder Holger Bökers fein ausgeprägten Gaumen und seinen Mut zur Exotik. Zum einen fiel die Wahl auf ein Hähnchensaté mit Gemüse-Reis. Wir sind beeindruckt. Das Gemüse ist frisch und noch bissfest, das Geschnetzelte unglaublich zart und über allem schwebt eine elegante Erdnussnote. Für mich persönlich hätte als Soßenbasis ruhig die stückige statt der cremigen Variante der Erdnusscreme dienen können, das ist aber reine Geschmackssache. Zum anderen lässt uns das exotisch gebeizte und im Bananenblatt gebackene Lachsfilet innerlich jubeln, auch, weil uns hier wieder das Chutney begegnet. Milde Süße trifft auf angenehme Schärfe, der Fisch ist auf den Punkt gegart. Dazu knuspern wir uns durch Schwenkkartoffeln und knackigen Salat. Aha, dieser wurde mit etwas mehr Dressing verfeinert als der der Vorspeise und schon können Pfeffer und Salz getrost unberührt bleiben.
Meine Begleitung ärgert sich dennoch ein wenig, vom Plan abgewichen zu sein, rein vegan zu essen. Nach der hervorragenden Suppe ist die Neugier nun doch extrem groß. Aber wer wirklich auf den Geschmack kommen möchte, sollte seinen Weg mittwochs auf die Richard-Wagner-Straße finden, denn dann stehen die Büffet-Abende ganz unter dem Motto: tierisch gut und trotzdem fleischlos essen.
Ihr LeckerSchmecker
Jean Jacques