Rekorde spielen dabei kaum eine Rolle. Sonst müssten ja das Kaspische Meer (größter See der Erde) und der Baikalsee (tiefster See der Erde) längst Magneten des Massentourismus sein. Aber der weite Weg in Russlands Tiefen und der karge Komfort unerschlossener Landschaften verhindern das. Urlauber suchen die Harmonie und den Genuss, und davon haben Mittel- und Südeuropas Seen unendlich viel zu bieten.

Die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern, der Chiemsee und der Tegernsee in Oberbayern – das sind Deutschlands Seen-Hits. Dabei punktet Europas größte zusammenhängende Seenlandschaft im Nordosten mit der Weite der Wasseroberfläche, den freundlich-wortkargen Gastgebern an den Ufern und der Fülle an wassersportlichen Möglichkeiten.
Die bietet natürlich auch der Bodensee, gleich, ob man ihn am Schweizer, an Österreichs oder an Deutschlands Uferabschnitt besucht. Geschichtsträchtiges wie die Altstädte von Konstanz und Lindau, Kulturpracht wie bei den Opernfestspielen von Bregenz, faszinierende Botanikschätze auf der lieblichen Insel Mainau und
absolutes Wohlfühl-Feeling auf der
Kurhalbinsel Mettnau. Der Bodensee zählt zu den vielseitigsten Allroundern des Seen-Tourismus, nicht nur, weil es dort einfach nur schön ist.
Die ganze Wucht der Bergwelt kontrastiert fast überall bei Bayerns Seen im Süden zu lieblichen Ufer-Bildern. Auch hier wird alles geboten, was der Wasserfreund von einem See erwartet: Baden am Sandstrand, Segeln, Surfen, Tauchen, Angeln. Dazu die kulturellen und historischen Schmankerl – etwa die Inseln Frauenchiemsee und Herrenchiemsee mit Reminiszenzen an den überall gegenwärtigen Märchenkönig Ludwig II. Dessen Spuren begegnet man unter anderem auch am Starnberger See, wo an einigen Stellen an den Ort erinnert wird, wo der sagenumwobene Monarch unter selbst heute noch nicht komplett aufgeklärten Umständen seine letzten Atemzüge tat. Neben einer Votivkapelle in Berg und einem Holzkreuz im Wasser, exakt dort, wo Ludwig starb – oder doch ‚gestorben wurde‘ begegnet man hier natürlich auch allerlei Verschwörungstheorien. Spannend kann jedoch bereits im September die unkalkulierbare Wetterlage an Bayern Seen werden. Heute noch Sonne und 25 Grad Celsius, morgen schon Frühnebel und übermorgen erster Frost – das ist ab und zu möglich.
Wer es dann milder möchte, kann allerdings auf Alternativen hoffen. Nur ein paar Autostunden weiter, südlich hinter den Alpengipfeln, herrscht noch maritime Milde. Viele lieben den Gardasee gerade in dieser Zeit – mit Wander- und Fahrradtouren, wassersportlichen Herausforderungen und kulinarischen Köstlichkeiten. Dazu locken Tagesausflüge nach Verona, Venedig, Bergamo oder in die umliegenden Weingebiete. Durch eines ihrer berühmtesten, das für hervorragenden Schaumwein bekannte Franciacorta-Gebiet, führt übrigens auch der Weg vom Garda- zu Norditaliens viertgrößtem See, dem Lago Iseo. Dank seiner noch überschaubaren Größe ist dieses noch als Insidertipp gehandelte Kleinod komplett umfahrbar. Hier halten nicht nur Straßen, die teils spektakulär aus den Felsen herausgeschlagen wurden, sondern auch ein gut ausgeschildertes Fahrrad- und Wanderwegenetz einige Überraschungen bereit.
Comer See und Lago Maggiore sind weitere Höhepunkte wassergeprägter Reiseziele, mit prächtigen Villen und Parklandschaften an den Ufern, üppigen Blüten bis tief in den Herbst – ein Fest für alle Sinne auf einmal.
Peter Lamprecht