Lange Zeit war Korschenbroich mit Literaturveranstaltungen unterversorgt. Bis Rita Mielke auf die Idee kam, zu einer Kinderbuch-Ausstellung ein Kulturprogramm anzubieten. Das war die Geburtsstunde des Lese-Festivals ‚Korschenbroich liest‘, das 2013 mit dem Deutschen Lesepreis der Stiftung Lesen ausgezeichnet wurde. 
Begonnen hat alles in der kleinen Korschenbroicher Bibliothek. Rita Mielke war sieben Jahre alt, als sie mit ihrer Volksschulklasse die Einrichtung besuchte. „Ich dachte damals, ich stehe im Paradies. Seitdem wusste ich, dass ich niemals ohne Bücher leben wollte“, erinnert sie sich an den Augenblick, in dem sie die vielen verheißungsvollen Buchrücken in den Regalen sah. Ganze Reihen voller Geschichten und neuer Welten galt es für das kleine Mädchen zu entdecken. Bis heute ist sie auf der Reise.
Aus ihrer Faszination hat Rita Mielke einen Beruf gemacht. Die 58-Jährige schreibt selbst Sachbücher, arbeitet für den WDR und organisiert Literatur-Events. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die klassische Lesung. Mit ihren Veranstaltungen lotet sie die ganze sinnliche Palette aus. Bei ‚Korschenbroich liest‘ wird nicht nur gelesen. Wo es passt, wird die Kunst des Schreibens und Lesens mit anderen Sparten in Verbindung gebracht: Musiker begleiten einige Abende, Schauspieler improvisieren zu den Texten, Köche tischen Leckereien dazu auf.
Nach dem Abitur studierte sie Germanistik, Anglistik und Literaturwissenschaften in Aachen, anschließend promovierte sie. Mitte der 1980er Jahre führte diese Fächerkombination fast zwangsläufig zu einer Lehrerkarriere. „Aber ich wollte das nicht“, sagt Mielke. Schon während ihres Studiums hatte sie für die Zeitung Literaturkritiken geschrieben und für den Hörfunk gearbeitet. Sie volontierte im Suhrkamp Verlag, ging dann als Redakteurin zum FAZ-Magazin. Dort habe sie viel über das Schreiben gelernt. „Bei den Reportage-Formen wird sehr auf Sprache, Stil und schönes Schreiben geachtet“, erzählt sie. Später machte sie sich als PR-Beraterin selbstständig. Die Literatur rückte in den Hintergrund.
Als ein Kinderbuch-Sammler 2008 eine kleine Ausstellung in Korschenbroich plante, sprach er die PR-Frau an. Um mehr Besucher dafür zu interessieren, organisierte sie ein Kulturprogramm und ließ Korschenbroicher Promis aus ihren Kinderbüchern vorlesen. Die Geburtsstunde von ‚Korschenbroich liest‘. Heute ist aus dem kleinen Programm ein großes Festival geworden, das über fünf Monate in 25 Veranstaltungen alle Facetten der Literatur vorstellt. Längst erreicht es nicht nur Leser aus der Region Korschenbroich, sondern auch aus dem Raum Düsseldorf und Erkelenz. „40 Prozent der Besucher sind externe Gäste“, sagt Mielke.
Für sie selbst ist Lesen ein Lebenselixier. Zu welchem Buch sie greift, ist eine Bauchentscheidung. Manchmal fange sie vorsichtig an zu lesen, weil sie sich nicht sicher sei, ob ihr die Lektüre wirklich gefalle. ‚Das Schweigen des Sammlers‘ von Jaume Cabré sei so ein Buch gewesen, sagt sie. Aber dann habe sie beim Lesen alles andere vergessen. „Es ist von der Komposition her so angelegt, dass es mich richtig gepackt hat“, erinnert sich Mielke.
Sie liebt Bücher, besonders, wenn der Verlag Wert auf die Gestaltung gelegt hat: das Gefühl des Papiers, das leise Knarzen des Deckels, ein schöner Umschlag. „Mein Mann hat mir mal einen E-Reader gegeben, aber für mich ist das nichts“, sagt sie. „Ich habe es damit wirklich probiert.“ Aber sie brauche es, das Buch zu fühlen, mit ihrem Stift Anmerkungen zu machen oder Passagen, die ihr besonders gefallen, zu markieren. Weil sie mit ihren Büchern lebt, weil sie sie liebt.
Garnet Manecke
Programmauszüge unter
www.korschenbroich-liest.de