November-Nebel, Jahresend-Blues – da spüren viele unter uns neue Lust, in die Ferne zu entschwinden. Und nicht jedem reicht dazu jetzt die pure Sonne der Kanaren. Wenn es während eines besonderen Urlaubs in der Nase duften und auf der Zunge kribbeln soll, kommen schnell die Heimatorte der besonders exklusiven Gewürze ins Spiel. Indien hält dabei traditionell Platz eins unter den Zielen: ein Riesenland mit jahrtausendealter Vielfalt der Kulturen, ein Kaleidoskop unterschiedlichster Landschaften. Zwischen den Traumpalästen und Tempeln Rajasthans und den Traumstränden der einst portugiesischen Enklave Goa, zwischen der Gebirgslandschaft Nepals und Megazentren wie Mumbai bietet Indien eine unfassbare Fülle unvergesslicher Eindrücke.
Ein Merkmal aber verbindet alle: Es ist die indische Küche, ein Feuerwerk von Gerüchen und Aromen, immer scharf für mitteleuropäisch sozialisierte Gaumen, immer anders und am Ende immer unvergleichlich. Es sind Indiens Gewürze, die diese Einmaligkeit ausmachen: Darunter hier eher Unbekannte wie Amchoor, das hellgelbe süß-säuerliche Mango-Pulver, das schon bei sparsamem Gebrauch leicht den Zitronen- oder Limettensaft vergessen lässt. Oder der Bockshornklee, kleine gelbliche Samenkörner, die Chutneys ihr pikantes Aroma verleihen. Schließlich Cassia, auch ‚chinesischer Zimt‘ genannt, intensiver als die bei uns gebräuchlichen Zimtsorten.
Sofort mit Indien identifiziert werden Chilis aller Farben und Schärfegrade, die als ‚Curry‘ bekannte Mischung aus Gewürzen wie Chili, Kurkuma, Pfeffer, Kardamom, Koriander, Kreuzkümmel, Ingwer, Nelke und Muskat, aber auch Fenchelsamen. Indiens Gewürzreichtum und -fantasie hat die Welt der Küche seit Jahrtausenden bereichert.
Und so treffen wir auf der Suche nach weiteren Ferienzielen mit ‚besonderer Würze‘ auch anderswo immer wieder auf Bekanntes. So etwa auf einer Insel vor der südlichen Ostküste Afrikas, gelegen im Indischen Ozean. Es ist Madagaskar, in der Ausdehnung so groß wie die Flächen der europäischen Staaten Deutschland, Niederlande, Belgien, Schweiz und Österreich zusammen. Dieser Inselstaat trägt auch den Beinamen ‚Gewürzinsel‘. Hier finden sich Gewürznelken, Zimt, Pfeffer, Muskat – und als Nummer eins die Vanilleschote. Aktuell gilt Madagaskar noch immer als weltweit größter Produzent der Vanille.
Begonnen hat deren Anbau hier 1912. Das war 74 Jahre nach der Entdeckung des belgischen Biologen Charles Morren, dass sich die Vanillepflanze selbst vermehrt, ganz ohne Zutun von Schmetterlingen, Bienen oder Vögeln. Diese Erkenntnis half, das mittelamerikanische Gewächs vor Afrikas Küsten heimisch zu machen und zu nutzen – zuerst auf der Insel La Réunion, dann aber eben auf Madagaskar. Diese Insel, zuerst von Indonesiern und Malayen vor 2.000 Jahren besiedelt, bietet noch wesentlich mehr als nur die feinsten Gewürze: 80 Prozent der Tier- und Pflanzenwelt Madagaskars existieren ausschließlich dort. Es gibt traumhafte Strände und ausgesprochen gastfreundliche Menschen.
Ähnlich auch Sansibar, ein halb-autonomes Insel-Archipel ebenfalls im Indischen Ozean, das zu Tansania gehört. Dieses Eiland galt lange als Heimat und größter Produzent der Gewürznelke, die schon 1816 hier eingeführt wurde. Später kamen Zimt und Ingwer hinzu, der wertvolle Grüne Kardamom, Safran, Ingwer, Kurkuma und Muskat. Heute importiert Sansibar den größeren Teil der notwendigen Gewürze aus deren Urheimat Indien. Aber die ‚Spice Tour‘, die Touristenfahrt zu den Gewürzfarmen rund um die Inselhauptstadt Zanzibar City, lässt sich kein Reiseveranstalter und kein Hotelier entgehen. Und beim ‚Swahili-Kochkurs‘ weisen die Einheimischen ihre Gäste aus der Fremde immer wieder gern in den sachgerechten Gebrauch der natürlichen Geschmacksträger ein.
Zu den weiteren Attraktionen dieses überwiegend muslimisch geprägten Insel-Archipels gehört Stone Town, das malerisch-historische Zentrum von Zanzibar City. Hier sind die verschwenderisch mit Schnitzornamenten ausgestatteten Swahili-Türen zu besichtigen, die Sansibars reiche Alltagskultur krönen. Nicht zu vergessen die geschützten und von Tauchern geschätzten Korallenreviere vor der Insel Mnemba. Und natürlich die Luxus-Resorts an den breiten weißen Badestränden im Nordosten. Wo sich die Touristen treffen, fehlt dann auch nirgendwo die Erinnerung an den weltberühmten ‚Queen‘-Sänger Freddy Mercury, einen Sohn Sansibars.
Eine weitere bedeutende Gewürzinsel befindet sich auf einem ganz anderen Teil des Globus. Von der kleinen Antilleninsel Grenada ist die Rede. Sie bietet alles, was auch die größeren Nachbarn auszeichnet: Weite weiße Strände, grünen Regenwald, fröhliche Einheimische und gepflegte Touristenresorts.
Es ist wohl eine Hinterlassenschaft der alten Seefahrer, dass ausgerechnet hier in der Karibik die Muskatnuss ihre ‚zweite Heimat‘ fand. Jenes Gewürz, das einst von den indonesischen Molukken-Inseln exportiert und dann in Madagaskar groß geworden war. Grenada immerhin verkauft die würzige Nuss bis heute massenhaft an die Touristen. Und nur in Grenada hat es mit der Muskatnuss ein Gewürz sogar auf die Landesflagge geschafft.
Peter Lamprecht