Vielfalt für (fast) jeden Geschmack wie beim Dim-Sun, dem
asiatischen Endlos- Buffet auf rotierenden Platten – das bietet
ein Reiseland, das zunehmend Aufmerksamkeit auf sich zieht: Vietnam.

Als Appetizer vorweg nur so viel: Das Angebot reicht vom ‚Literaturtempel‘
des Konfuzius aus dem 12. Jahrhundert bis zu den endlos weiten
Cu Chi-Tunnelsystemen der Guerillakämpfer vom Vietcong, die in den
1970er-Jahren von dort aus ihre Attacken gegen die US-Besatzungseinheiten
starteten. Die Vielfalt reicht ebenso von der märchenhaftmagischen Halong-Bucht
bis ins üppig fruchtbare Mekong-Delta, von der historischen
Hauptstadt Hanoi bis zur sprudelnden Wirtschaftsmetropole Ho-Chi- Minh-Stadt,
die einst Saigon hieß. Es gibt kulinarische Überraschungen ebenso
wie erholsame Badestrände. Vietnam, Heimat eines der liebenswertesten
Kulturvölker Asiens, entwickelt sich immer mehr zum Traumziel
für Menschen, die glauben, sie hätten eigentlich schon alles gesehen.

Dabei ist es nützlich, ein wenig vom historischen Hintergrund zu kennen.
Nachweisbar ist Vietnam zuerst als Königreich im ersten Jahrtausend vor Christus.
Ab 111 vor Christi Geburt und bis 938 nach Christus gehörte das Land,
das etwa die Ausdehnung der Bundesrepublik Deutschland mit
heute um die 90 Millionen Einwohnern hat, zum großen Nachbarn China.
Danach und bis ins 19. Jahrhundert war Vietnam selbstständig, entwickelte
seine eigene Kultur. Die nachhaltigsten Spuren der Neuzeit hinterließen
ab Mitte des 19. Jahrhunderts dann die Franzosen, die Vietnam zum
Kernland ihrer Kolonie Französisch-Indochina machten.
Im Zweiten Weltkrieg kamen die Japaner als Eroberer, danach
wechselten sich Franzosen und die USA als Besatzungsmächte im
Süden des Landes ab, nachdem das Land 1954 in einen kommunistisch
regierten nördlichen und einen westlich orientierten südlichen Staat
geteilt wurde. Dauerhafte Kriege überzogen Vietnam bis 1976, als die USA
ihre Truppen zurückzogen und beide Vietnams unter sozialistischem Vorzeichen
vereinigt wurden. Gut zehn Jahre später begann eine Phase wirtschaftlicher Reformen,
die dann auch neue Möglichkeiten für einen florierenden Tourismus schafften.
So ist es auch kein Wunder, dass heute deutschsprachige Guides
auf deutsche Besucher warten. Ohnehin kommt man als Tourist
in diesem polyglotten Land mit englischen oder französischen Sprachkenntnissen weiter.
Wenn Sie etwa zwei Wochen Zeit mitbringen, könnte Ihre erste Rundreise
durch das ferne und fremde Vietnam vom Flughafen Hanoi aus etwa so beginnen:
Empfang durch den Guide am Airport, Fahrt zum Hotel
und zwei Tage zum Akklimatisieren. In Hanoi wartet das Viertel ’36 Pho Phuong‘
(36 Straßen), eine Altstadt mit belebten Gassen, fremden Tönen
und Gerüchen auf Sie. Der nahe See Hoa Kiem lädt zum Spaziergang
unter schattigen Bäumen. Am folgenden Tag führt eine halbtägige
Stadterkundung unter anderem zum Literaturtempel des Konfuzius.
Möglich ist auch eine Tour mit der Fahrradrikscha, die auch
den Besuch des Wasserpuppen- Theaters einschließt.
Von Hanoi aus wird eine Mini-Kreuzfahrt mit einer traditionellen
Dschunke angeboten, die Sie niemals mehr vergessen werden:
Sie führt durch die 1.500 Quadratmeter große Halong-Bucht,
seit 1994 UNESCO-Welterbe. Je nach Jahreszeit wirkt das Wasser
dunkelblau bis jadegrün, zeitweise wabern Dunstwolken über dem Wasser.
Hunderte Kalksteinfelsen ragen auf zahllosen größeren und kleinen
Inseln in der Bucht senkrecht in den Himmel, manche haben natürliche
Torbögen ausgebildet, die gesamte Szenerie wirkt geheimnisvoll.
Nicht verwunderlich, dass sich um diese Kulisse zahllose Legenden
um Drachen und Dramen ranken.
Mit dem Nachtzug führt die Reise weiter nach Danang und Hoi An.
Dessen Altstadt gehört ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe – eine
Hafenstadt aus der Zeit des 16. Jahrhunderts, als die großen
Handelskompanien Vietnam und seinen Reichtum entdeckten. Zu den ‚Muss-Stationen‘
einer Vietnam-Reise gehört der Besuch von Ho-Chi-Minh-Stadt, die unter
dem Namen Saigon Aufstieg und Fall des reichen Südens symbolisierte.
Sehen Sie das Hauptpostamt, das vom berühmten französischen Architekten
Gustav Eiffel erbaut wurde, bewundern Sie die Kathedrale Notre Dame
(1863-1880), spazieren Sie über die Straße Dong Khoi, die in
Graham Greenes Roman ‚Der stille Amerikaner‘ verewigt wurde.
Lassen Sie sich vom 1901 erbauten Opernhaus beeindrucken
und atmen Sie die Atmosphäre des ‚Wiedervereinigungsplatzes‘, auf dem
am 30. April 1975 die Geschichte des neuen Vietnam begann.
Und lassen Sie sich am Abend von den Düften und Aromen
der Straßenküchen in der Altstadt überraschen.

 
Ein Ausflug, den fast kein Besucher dieser Gegend versäumt, führt direkt in
die kriegerische Vergangenheit des 20. Jahrhunderts: in das Cu Chi-Tunnelsystem.
Unter der Erde wurden hier ganze Städte mit Kommandozentralen,
Schulen, Lazaretts, Büros und natürlich auch Schlafmöglichkeiten errichtet
– nicht einsehbar aus der Luft. Diese Tunnels wurden zum strategischen
Vorteil der Vietcong, von hier aus wurde der Guerillakrieg organisiert,
der am Ende die Wiedervereinigung der beiden Vietnams herbeiführte.
Das einstige Saigon liegt am Rande des fruchtbaren Mekong-Deltas,
das zu Recht ‚Speisekammer‘ Vietnams genannt wird.
Bis zu drei Ernten pro Jahr bringen die Reisbauern hier ein,
zu den Attraktionen gehört ein schwimmender Markt, gehören
kulinarische Spezialitäten wie der Elefantenohr-Fisch.
Vietnam schauen – das ist erst einmal kein Urlaub, in dem zuerst
die Seele baumeln könnte. Aber auch dazu kann es kommen.
Am Strand von Pan Thiet endet so manche Urlaubsverlängerung
nach spannenden Besichtigungstagen.
Peter Lamprecht