„Gesunder Geist in einem gesunden Körper“- Sie erinnern sich bestimmt an das berühmte Motto, das Sportfreaks, Wellnesspäpste und Turnvater-Enkel immer gern zitieren. Es stammt – natürlich – wie so vieles in unserem Alltagsleben von den alten Römern. Und tatsächlich: Die Welteroberer aus der Zeit vor über 2.000 Jahren haben tiefe Spuren hinterlassen, gern und vor allem auch in etlichen Destinationen des modernen Gesundheits- und Wellness-Tourismus.

Und es ist durchaus nicht der pure Historismus, der uns da entgegenblickt. Die alte Idee der vorsorgenden Gesundheitsfürsorge ist sogar richtig jung geblieben. Man trifft sie in unerwarteten Formaten immer wieder an, gern auch gemeinsam mit heißen Quellen, die ebenfalls mindestens seit Römertagen sprudeln.

Atemberaubende Thermalerlebnisse auf Island

Keiner weiß ganz genau, ob sie zuerst von den Kelten, von versprengten Römern oder doch erst von den unverwüstlichen Wikingern entdeckt wurden. Aber sicher ist: Die aus brodelndem Vulkanismus entstehenden heißen Quellen auf der kalten Insel Island üben eine besondere Anziehungskraft auf die Nachbarn aus Mitteleuropa aus. Nicht nur, dass die pfiffigen Isländer die unerschöpfliche Energiequelle neben dem Betrieb riesiger Thermalbäder auch nutzen, um über die lange Winterzeit überdachte Fußballhallen zu beheizen. Was übrigens zu einer vorzüglichen Nachwuchsarbeit und nun auch zum Aufrücken der Isländer in Europas Fußballelite geführt hat.
Selbst im Winter mit seinen extrem langen Nächten und der kurzen Tageslicht-Zeit lassen sich junge und junggebliebene Island-Besucher nicht davon abhalten, Spezial-Jeeps auf extra hohen Reifen für Touren zum Ort Landmannalaugar im Zentrum des südisländischen Hochlandes zu buchen. So erleben sie von Oktober bis April eine atemberaubende Schneelandschaft, oft erleuchtet von bizarren Nordlichtern vor der Kulisse des mächtigen und immer noch aktiven Vulkans Hekla. Gespenstisch steigen die Dämpfe aus heißen Quellen auf, doch das schreckt niemanden vom winterlichen Bad in den brodelnden Natur-Pools dieses Hochlandes ab. Ein ganz ungewöhnliches, ein zugleich aufwühlendes und abkühlendes Erlebnis in einem Jungbrunnen, den es so nur auf Island gibt.

Wellness trifft Action am Plattensee

Ganz anders die von Römern entdeckten heißen Quellen von Héviz nahe dem ungarischen Plattensee. Inmitten einer lieblichen Landschaft mit fast schon südländischem Klima: Einerseits absolvieren Kurgäste dort in Hotels und Gasthäusern beinahe jeder Kategorie traditionelle Badekuren beispielsweise gegen Herz- und Kreislauf, Gelenk- und Muskelprobleme. Andererseits können die Mitgereisten anregende Freizeitaktivitäten mit jeder Menge Bewegung genießen. Das reicht von Ballonfahrten über den Balaton inklusive Sekttaufe bis zu Angeltouren auf Brasse, Karpfen oder Zander. Wassersport ist selbstverständlich am Hévizer See und natürlich auf dem Plattensee – Segeln und Kanufahren, Surfen und Rudern. Und natürlich gibt es überall Zweiräder für große oder kleinere Rundtouren.

Very British

Badekuren und Bädertouren auf Römer-Spuren führen ins feudale britische Bath, wo Englands einzige heiße Quellen seit ihrer Entdeckung durch die Römer sprudeln. Schon im 6. Jahrhundert kamen die Angelsachsen und gaben dem Ort den Namen Hot Batha. Inzwischen UNESCO-Weltkulturerbe, gilt das royale Ensemble als steingewordene Erinnerung an die großen Zeiten der Queen Victoria und der berühmten Schriftstellerin Jane Austen. Zahlreiche Gesundheits- und Wellnessangebote werden heute in Bath angepriesen, Fitnesstrainings gehören selbstverständlich auch dazu. Aber die größte Attraktion sind nach wie vor die römischen Bäder, die 1889 wieder entdeckt wurden. Das steinerne Becken, aus dem der Dampf vom 46 Grad heißen Wasser aufsteigt, ist oft dicht umlagert.

Mondäne ‚Liebhaberorte‘

Baden-Baden oder Bad Neuenahr, Bad Oeynhausen oder Bad Salzuflen, Bad Aachen oder Bad Wörishofen – auch Deutschland hat zahllose Kurorte mit gesundheitswirksamen Thermalquellen zu bieten, fast jeder mit zeitgemäßen Zusatzprogrammen für aktive Erholungstage.
Und natürlich locken die Nachbarn. Vor allem jene, die noch günstige Gäste- und Kurpauschalen bieten können. Kolberg und Swinemünde beispielsweise an der polnischen Ostseeküste haben neben den Badekuren auch Strandidylle, Seeluft und moderate Preise für Gesundheitsdienstleistungen auf ihrer Seite. Ebenso Karlsbad im tschechischen Böhmen: Dort verweist man mit Stolz auf zwölf unterschiedliche Thermalquellen wie auch auf eine prächtige kaiserlich-österreichisch-ungarische Geschichte, schließlich auch auf eine aktuelle Bäderpartnerschaft mit Baden- Baden. Das historische Kurviertel an der Tepla mit seinen prächtigen Stuck-Fassaden wurde nach dem Ende des Staats-Sozialismus neu herausgeputzt.
Ähnlich das nahe Marienbad, wo einst der britische König Edward VII, der Komponist Chopin und der Dichterfürst Goethe kurten. Die beiden Letzteren ließen sich nicht nur von den Quellen und den prächtigen Parks des Badeorts begeistern – sie entdeckten auch die Liebe zu bemerkenswert jüngeren Damen neu. Was allerdings im Fall des 72 Jahre alten Goethe zu einer verklausulierten Absage der angebeteten 17-jährigen Ulrike von Levetzow führte – und bei Chopin zu einem Veto der Eltern von Maria Wodzinska. Was aber nichts über die erquicklichen Wirkungen der Badequellen aussagen muss …
Heiße Quellen haben seit Römertagen und bis heute ihre anziehende Wirkung auf Menschen behalten, die sich nach Gesundheit sehnen. Damit zugleich waren und sind sie ein Magnet für alle, die mit der Gesundheit ihr Geld verdienen möchten – Hoteliers, Mediziner, Therapeuten. Und doch gibt es durchaus auch noch weiße Flecken auf der Karte der vulkanischen Wasservorkommen. Sogar in der Toskana findet sich ein Ort mit heiß sprudelnden Wasserquellen, in denen man ohne jeden Obolus baden und sich erfrischen darf: Es sind die Tuffsteinwannen der Schwefelquellen von Saturnia. „Sogar die Menge touristischer Besucher hielt sich in Grenzen“, berichtet ein begeisterter Deutscher, der auf seiner Toskana-Runde mit dem Auto auf diesen erfreulichen Ort aufmerksam geworden war.

Peter Lamprecht