Selbst wenn Ihr Herz natürlich für den DFB-Kader schlägt, sollten Sie sich als Fan von Borussia Mönchengladbach auch die Spiele der Schweizer Nationalelf nicht entgehen lassen. Schließlich lässt Jogis Kollege Vladimir Petkovic gleich zwei Fohlen sicher auflaufen, ein drittes Talent darf noch auf die EM-Teilnahme hoffen. Wir wissen, wem Sie die Daumen drücken dürfen.
Borussias Torwart Yann Sommer ist seit zwei Jahren in der Schweizer Nationalmannschaft die Nummer 1. Gern denkt er an seine behütete Kindheit am Genfer See und Zürichsee zurück.
Bisher bekannt: Die Schweiz ist das Land der Erfinder, das Land des Käses, der politischen Unabhängigkeit und des ausgeklügelten Taschenmessers. Seit einigen Jahren muss man sagen: Die Schweiz ist irgendwie auch das Land der Torhüter. Vor anderthalb Jahrzehnten galt der zu Borussia Mönchengladbach gewechselte Jörg Stiel noch beinahe als Exot. Heute spielen alle drei aktuellen Nationaltorhüter der Eidgenossen in der Bundesliga: Roman Bürki bei Borussia Dortmund, Marvin Hitz beim FC Augsburg – und Yann Sommer bei Borussia Mönchengladbach, der von drei starken Torhütern der wohl beste ist. Jedenfalls trägt der das Trikot mit der Nummer 1 und wird auch bei der Europameisterschaft in Frankreich den Schweizer Kasten hüten.
Sommer ist seit zwei Jahren Borusse, vorher stand er lange Zeit in seinem Heimatland beim FC Basel zwischen den Pfosten. Die EM in Frankreich wird der Höhepunkt in seiner Nationalmannschaftskarriere. Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien vor zwei Jahren war er noch Ersatz, doch nach dem Weltturnier wurde er die ‚Nummer 1‘ – und ist dort, genau wie bei Borussia, über jeden Zweifel erhaben. Sommer ist kein Torwart des Typus Toni Schumacher oder Oliver Kahn. Kein Titan, keiner, der Bälle und manchmal auch Gegner mit grimmiger Miene aus der Gefahrenzone befördert und der seine Siegermentalität breitbeinig zur Schau trägt. Er ist das Gegenteil. Nicht, dass der 27-Jährige nicht ehrgeizig wäre – sonst hätte er es auch nicht zu vier Meisterschaften und zwei Pokalsiegen bei seinem vorherigen Klub FC Basel gebracht.
Sommer ist smart. Sympathisch und bescheiden im Auftreten, eben ein typischer Schweizer. Dass er dabei auch noch gut aussieht, gerne und auch gut kocht und Gitarre spielen kann, lässt einen schon fragen: Was kann der eigentlich nicht? Yann Sommer ist jedenfalls das, was man einen Sonnyboy nennt. Vielleicht wird man automatisch so, wenn man wie er die Kindheit in kleinen Städtchen am Genfer See und später am Zürichsee verbringt. Seine Jugend in der Schweiz ist beschaulich und behütet, und scheinbar nebenbei kommt er beim Dorfklub FC Herrliberg zu dem Job auf dem Spielfeld, mit dem er es mittlerweile zum Millionär gebracht haben dürfte: Torwart.
„Der damalige Trainer stand vor der Gruppe und hat gefragt, wer in den Kasten möchte“, erinnert sich Sommer. „Ich wollte unbedingt ins Tor und habe mich sofort gemeldet. Dann hatte ich den Job.“ Die Zeiten aber, in denen er mal auf Rasen, mal auf Asche oder manchmal auch auf einem steinigen Untergrund trainiert hat, waren vorbei, als die ganze Familie nach Basel zog: Dort wechselte er erst zu Concordia Basel und spielte bei dem großen Klub dort, bis er 14 war. Zum ‚Ausgleich‘ traf er sich mit Freunden und Bekannten auf dem öffentlichen Platz Zur Gempenfluh. Mütter brachten Kaffee und Kuchen mit, auf dem Rasen maßen sich Väter und Söhne. Manchmal wurde 10 gegen 10, manchmal auch 15 gegen 15 gespielt.
„Es war eine super Zeit“, blickt er zurück. „Und diese Zeit mit meinen Freunden von dort oder der Familie ist auch das, was ich am meisten vermisse.“ Ansonsten hat er sich aber glänzend an seine neue Heimat gewöhnt. Und sicherlich sind die Reisen mit der Nationalmannschaft für ihn wie für alle Fußball-Legionäre auch immer ein bisschen so etwas wie Heimkehren. Auch deshalb freut sich Sommer auf die EM – auf die Vorbereitung in der Villa Sassa im Tessin und auf das Turnier in Frankreich.