Niemand muss seine Uhr umstellen, und sogar mit der deutschen Muttersprache kann man als Gast überraschend weit vorankommen in diesem Urlaubsland: Namibia ist so anders! Die Monate zwischen Mai und Oktober, also streng genommen der afrikanische Winter, werden aufgrund ihrer ‚Trockenheit‘ als ideale Ferienzeit für Mitteleuropäer empfohlen – auch wenn eigentlich Temperaturen von 25 bis 30 Grad und 300 Sonnentage statistisch sogar für ganzjährig kommode Urlaubsverhältnisse sprechen.
Ein erster Blick auf die Vielfalt der Reiseangebote erzählt schon davon, wie unglaublich groß die Möglichkeiten sind, in diesem afrikanischen Land unvergessliche Ferien zu erleben. Es gibt Rundreisen in jeder denkbaren Form: mit Bussen, Mietwagen, per Flugzeug oder auf eigene Faust im Camper. Trekking-Touren für Abenteuer-Wanderer sind ebenso verfügbar wie alles, was sich der Aktivurlauber sonst noch erträumen mag: Kletterer kommen ebenso zum Zuge wie Freunde des geruhsamen Angelns. Die Größe des Angebots spiegelt die Größe des Landes: Namibia ist mit 825.615 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Dafür leben hier erstaunlich wenige Menschen: Namibia hat nur 2,1 Millionen Einwohner zum Vergleich: In Deutschland sind es über 80 Millionen.
‚Luxus der Weite‘ lautet der Slogan der Tourismuswerbung. Und diesen Luxus kann man auskosten, einatmen geradezu, in der ältesten Wüste der Welt, der ‚Namib-Wüste‘ im Südwesten, der das Land seinen 25 Jahre jungen Namen verdankt. Man kann ihn spüren in der ‚grünen Wüste‘, der Kalahari.
Der Etosha-Nationalpark prunkt mit der Fülle der afrikanischen Tierwelt, der Fish River Canyon – das afrikanische Pendant zum Grand Canyon in den USA – raubt seinen Besuchern den Atem. Beginnen wir bei der Kalahari. 1,2 Millionen Quadratkilometer Wüste und Trocken-savanne: Büsche und Bäume haben hier ihre Wurzeln extrem tief in den Boden getrieben, wo sie dann doch auf Grundwasser stoßen.
Die weit ausragenden Kameldornbäume spenden Mensch und Tier Schatten. Und erst auf den zweiten Blick wird klar: Sie spenden auch einer ganzen Vogelart Raum und Überlebensschutz. Zwischen den Ästen haben Webervögel ihre riesigen sandbraunen Nisthöhlen gebaut. Eine einzige solche Vogel-WG zählt oft über hundert Bewohner.
Die ‚Einstiege‘ sind wie Röhren gestaltet und nur von unten zu erreichen wiederum zum Schutz vor Raubvögeln, die irgendwo in der Höhe lauern.
Während der Rast unter einem dieser natürlichen Sonnenschirme lassen sich leicht Oryxherden, Giraffen und Gnus beobachten, die ganz in der Nähe grasen, oder Antilopen, die sich an einem Wasserloch erfrischen. Und wer – als Wanderer oder privater Mietwagentourist – in einem der gut organisierten Dünen-Camps oder einer der komfortableren Safari-Lodges nächtigt, der erlebt auch gleich ein spezielles Faszinosum des südlichen Afrika: einen Sternenhimmel, so klar und so reich bestückt, wie er in unserer europäischen Atmosphäre nirgendwo mehr zu sehen ist. Dem fühlt man sich übrigens auch ganz nahe, wenn man sich als ‚Individual- urlauber‘ einen der beliebten Camper – Geländefahrzeuge mit Zeltaufbau – mietet. Klassische Campingplätze gibt es in Namibia zwar nicht, dafür kann man an unzähligen Lodges sein Quartier aufschlagen, dort wo es einem gerade am besten gefällt und passt.
Und die reiche Tierwelt? Namibias Etosha-Nationalpark wird zu den wildreichsten Naturschutzgebieten Afrikas gerechnet. Gelegen nordwestlich der Hauptstadt Windhoek, kann man ihn über Schotterpisten erreichen. Ein Weg, den man auf jeden Fall antreten sollte, um einmal Afrikas ‚Big Five‘ – Elefanten, Nashörner, Löwen, Büffel und Leoparden – in ihrem wilden Lebensraum zu begegnen. Darüber hinaus sind an diesem Fleckchen Erde noch über 130 weitere Säugetierarten anzutreffen.
Hier um die 80 Elefanten an einem einzigen Wasserloch, dort Giraffen, Zebras, Kudus, Impalas oder mächtige Nashörner. Wer mit dem Bus auf Gemeinschaftstour ist, muss zuweilen auf etwas Glück vertrauen, damit zufällig auch die Begegnung mit einer Löwenfamilie in den enger gestrickten Terminplan passt. Im selbst gemieteten SUV unterwegs und mit einer Portion Geduld ausgestattet, kommt für den Besucher selbst der Löwen-Moment beinahe mit Gewissheit.

Ganz im Südwesten Namibias lockt der Fish River Canyon, unser Beispiel drei für die Fülle touristischer Möglichkeiten. 160 Kilometer Ausdehnung, damit erobert er sich den Titel ‚größter Canyon Afrikas‘. Wer mit Auto oder Bus anreist, erinnert sich schon auf den ersten Blick an Bilder vom amerikanischen Grand Canyon, der weltweiten Nummer eins. Wer mehr erkunden will, braucht das feste Schuhwerk und die Ausdauer des geübten Wanderers und Kletterers. Vor allem die 60 Kilometer zwischen Seeheim und dem Thermalbad Ai-Ais werden empfohlen. Aber: Nur jeweils 40 Wanderer auf einmal lässt die Parkverwaltung in eine der Schluchten, durch deren Grund vorwiegend im März und April der Fish River noch immer Wasser führt.
Eine der organisierten Touren nutzt vom Horseshoe Camp aus die Unterstützung einer Maultierherde. Die trägt Gepäck und Erfrischungen, während sich die Wanderer ganz auf Steine und Geröll und auf die bis zu 550 Meter hohen Steilhänge konzentrieren. Nebenher berichtet der Guide von über 60 Vogelarten, die im Canyon zu Hause sind, und auch von den heimischen Leoparden. Die aber scheuen das Geräusch einer Wandergruppe – und lassen sich nicht blicken. Selbst in dieser rauen, urweltlichen Einöde aber fühlt sich der Besucher aufgehoben. Touren sind verlässlich vorbereitet, Karten und Wege gut lesbar, und am Abend wartet immer ein sicheres Quartier. Die Weite Namibias ist gut organisiert.
 
Peter Lamprecht