Zum Beginn der kälter werdenden Jahreszeit führe ich mit meiner lieben Frau aufreibende Diskussionen über das Thema Heizung, beziehungsweise – um es näher zu präzisieren – darüber, wo genau die Wohlfühltemperatur im Wohnzimmer liegt. Gewiss mag es unterschiedliche Wahrnehmungen zwischen den Geschlechtern geben – aber eine Einigung ist selten in Sicht. Wenn im Herbst die ersten Windjacken an der Garderobe hängen und auf den Treppenstufen die Flip Flops durch festes Schuhwerk verdrängt werden, kommt der abrupte ‚Binnen-Klimawandel‘ in unser Haus mit kuscheligen 28 °C Raumtemperatur.

Während bei mir im Büro die Klimaanlage noch für angenehme Arbeitstemperaturen sorgt und auch auf dem Heimweg im Auto sich die A/C redlich um mein Wohlergehen bemüht, trifft mich beim Betreten der Wohnung der Schlag, ein Hitzeschlag sozusagen. Sämtliche Heizkörper bollern unter Vollgas auf Stufe 5, die Wohnung gleicht einer möblierten Sauna. Wenn es lauter wäre, könnte man meinen, man hätte sich in den Maschinenraum der Titanic verirrt. Auf der Skalierung der Raumthermostate gibt es auch eine 1, eine 2 oder 3 und so weiter, aber meine Frau kennt nur die 5. Immer volle Lotte nach links drehen, bis zum Anschlag! Bis die Dinger GLÜHEN!

Ich halte die Luft an (wegen Gefahr innerer Verbrennungen), kämpfe mich in die Küche vor, um mir dann mit einem nassen Handtuch um den Kopf gewickelt, einem kalifornischen Fire Fighter gleich, die Thermostate auf 0 zu drehen und schließlich die Fenster aufzureißen – endlich wieder Luft.

Irgendwie sind meine Frau und ich in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich. Auch im Urlaub führt das ungleiche Empfinden von Temperaturen immer wieder zu Spannungen. Wieso buche ich eigentlich ein Hotelzimmer mit Klimaanlage und erwarte den gleichen (Mindest-) Komfort auch beim Leihwagen? Schon beim Einchecken fragt meine Frau nach zusätzlichen Daunenplumeaus, Biberbettwäsche und frottierten Stoppersocken.

Kennen Sie die englischen Taxis, die mit der Trennscheibe hinterm Fahrersitz? So etwas bräuchte ich für meinen Wagen – nur in Längsrichtung unterteilt, quasi in zwei Klimazonen. Dann würden wir uns nicht gegenseitig permanent die Temperatur verstellen. Während ich mich in T-Shirt und Shorts an der kalten Luft der Klimaanlage erfreue, räkelt sich meine Frau bei eingeschalteter Sitzheizung, Stufe 5 (!), in ihren Thermo-Fleece-Klamotten wie eine Katze auf der Ofenbank. So bleibt es dabei, dass die Aufzeichnung ines Klimadiagramms während gemeinsamer Autofahrten aussieht, wie ein Querschnitt durch den Alpenhauptkamm.

Es gibt jedoch einen Raum, der vom Temperaturwahnsinn verschont bleibt: unser Schlafzimmer. Dies mag dann aber an den unterschiedlichen Zudeckmethoden liegen und an der Schlafbekleidung. Sie trägt viel, ich (fast) nix. Ich habe eine selbstdiagnostizierte Schlafanzugphobie. Schon das Wort ‚Schlafanzug‘ assoziiere ich mit Um-fünf-Uhr-morgens-Blutdruckmessen, dem Geruch nach Desinfektionsmitteln und Begriffen wie ‚Vasenschrank‘ oder ‚Abführtag‘. Nicht, dass Sie jetzt denken, ich hätte negative Schlüsselerlebnisse in Krankenhäusern gehabt. Aber wenn ich einen Schlafanzug anzöge (bitte beachten Sie den Konjunktiv), bekäme ich sofort Fieber.

Eine Wohnung in verschiedene Klimazonen aufzuteilen, fände ich jetzt ziemlich übertrieben. Wenn’s mir zu heiß wird, kann ich ja mal raus gehen oder ein kaltes Getränk zu mir nehmen.

Warum wir uns trotzdem seit 33 Jahren lieben und schätzen? Gegensätze ziehen sich nun mal an.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Gregor Kelzenberg