Metropolen glänzen als Werkschauen der Architektur

Fast immer, wenn deutsche TV-Sender Filme mit Düsseldorfer Kulissen senden, sind sie mit von der Partie: die schrägen Außenwände der Gehry-Bauten aus dem Medienhafen der Landeshauptstadt. US-Architekt Frank Gehry hat sie geschaffen, diese Wahrzeichen des modernen Düsseldorf. Gelungene Architektur wie diese berichtet vom Lebensgefühl ganzer Epochen, sie überdauert zuweilen Jahrhunderte. So ist sie mit verantwortlich für die Anziehungskraft unserer Städte, die in ihren Bauten immer auch Menschheitsgeschichte widerspiegeln. Zum Start ins neue Reisejahr hier einige Beispiele für Städte, deren Architektur einen Besuch wert sind.

Rotterdam

Den geringsten Aufwand bei maximalem Ertrag erfordert Rotterdam. Gut anderthalb Stunden mit dem Auto oder der Eisenbahn – und wir finden uns wieder in einer Stadt, die schon auf den ersten Blick wie eine Leistungsschau zeitgenössischer Architektur wirkt. Einen besonderen Zugang allerdings verspricht die Anreise mit einem Kreuzfahrtschiff. Der Blick geht dann vom eigenen Schiffsbalkon gleich auf die ersten Häuserriesen und auf die monumentale Erasmusbrücke. Schon dieses Umfeld hat Rotterdamer Architekturgeschichte geschrieben: Wir erleben, was kluge Stadtväter und kreative Architekten aus einem bereits abgeschriebenen alten Hafenviertel machen können.

Das Zentrum blieb nach dem Zweiten Weltkrieg als Trümmerwüste zurück, nur wenige Bauten wie etwa die Laurenskerk und Het Schielandshuis erinnern an die Blütezeit zuvor. Und die Rotterdamer machten einen radikalen Schnitt: Sämtliche City- Grundeigentümer wurden gegen Entschädigung enteignet, alle Zu- und Ableitungen, auch alle Kanäle, wurden entfernt. Rotterdam begann beim Stand Null, eine Stadt vom Reißbrett nahm Gestalt an. Banken, Geschäftszentren, alles wurde räumlich neu konzentriert, der Nahverkehr großzügig geregelt, und der Hafen verschwand aus der City-Lage und erhielt dadurch am Rand der Metropole den Raum, der das Wachstum bis zum gr..ten Hafen Europas erst ermöglichte.

Renommierte Architektenbüros wie Rem Kohlhaas, MRVDV oder Neutelings & Riedijk drückten der neuen City ihren Stempel auf, unter anderem das Niederländische Architektur- Institut lie. sich in der Stadt nieder. Ergebnis ist eine der gr..ten Konzentrationen fantasievoll gestalteter Hochhäuser in Europa. Nicht hoch, aber ungewöhnlich: die würfelförmigen, auf der Spitze stehenden Kubushäuser im Ortsteil Blaak; einzigartig die hufeisenförmige Markthalle aus 2014, in der Handel und Wohnen nebeneinander funktionieren.

Chicago

Ein gigantisches Feuerinferno war verantwortlich für den architektonischen Neuanfang nach 1871 in der US-Metropole Chicago. Nachdem die Flammen des ‚Great Fire‘ 17.000 Gebäude zerstört hatten, riefen die Chicagoer Architekten und Landschaftsgestalter aus allen Teilen der USA zusammen, um den Neustart zu schaffen. William La Baron Jenney nutzte als Erster weltweit Stahlrahmenkonstruktionen, um darauf Wolkenkratzer zu errichten – der Beginn der ‚Chicago School of Architecture‘. Im Laufe der Jahre entwickelte sich Chicago zum Hot Spot fortschrittlicher Baukunst. Die Genialität des Masterplans von Daniel Burnham (1909) ist bis heute nachzuvollziehen – nicht zuletzt auch im ArchiCenter der Chicago Architecture Foundation an der South Michigan Avenue.

Wie die Architektur unserer Zeit die Stadt weiter entwickelt hat, lässt sich am eindrucksvollsten vom Wasser aus erleben: Unter anderem bietet die Architektenvereinigung Schiffstouren an, bei denen die Besucher bis zu 120 Höhepunkte entdecken. Beispiele, die beeindrucken: Daniel Burnham, der das ’neue‘ Chicago vorgeplant hat, steuerte selbst das Rockery Building und das Reliance Building bei. Louis Sullivan prägte das Bild weiter mit dem Jewelers Building, dem Auditorium Building und dem Carson Pirie Scott Building. George Maher und Frank Lloyd Wright fügten vor allem im Vorort Oak Park H.user des ganz eigenen Prairie Style hinzu.

Und dann übersetzten Männer wie Ludwig Mies van der Rohe oder Helmut Jahn den Chicago-Spirit in die Architektensprache unserer Tage. Nicht zu vergessen Frank Gehry, der im zentralen Millennium Park den Jay Pritzker Pavillon schuf.

Astana

Rotterdam und Chicago, auch das kleine Liechtenstein mit Vaduz oder das große Japan mit zahlreichen wagemutigen Höhepunkten der Architektur zwischen Tokio und Osaka – sie alle sind nach einer Entscheidung für ‚große L.sungen‘ bei der Planung weitgehend organisch weiter gewachsen und bieten eigens konzipierte Architektur- Touren an. Ganz anders Astana, Hauptstadt Kasachstans.

Wo heute eine Skyline in den Himmel ragt, war vor über 20 Jahre noch nichts als Steppe. Bis dann eben Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew den Beschluss zum Bau einer Hauptstadt am Ufer des Ischim herbeiführte. „Ein neuer Typus Stadt“ sei nun dort im Werden, sagt der deutsche Architekt und Architektur-Autor Philipp Meuser.

Der Japaner Kisho Kurokawa schuf 1997 den Masterplan für das Machtzentrum in der kasachischen Steppe. Seine Idee: Es sollte kein verkopftes Experiment wie die komplett durchgeplanten Brasilia oder Canberra daraus werden, sondern eine sich selbst entwickelnde Metropole. Für drei oder vier Millionen Einwohner soll ihre Infrastruktur ausreichen, genutzt wird sie bisher von rund 800.000 Menschen.

Höhepunkte zum Bestaunen sind eingebaut: Khan Shatyr etwa ist ein zeltförmiges Einkaufszentrum, geplant vom Briten Sir Norman Foster. Es liegt großstadtgem.. am Stadtrand, gleich nebenan wiegt sich endlos das Steppengras. Eher zentral hingegen der Bajterek, ein 105 Meter hoher Aussichtsturm, erbaut ebenfalls von Norman Foster – angeblich nach einem Bleistift-Rohentwurf des Präsidenten Nasarbajew selbst. Mitten in der Stadt wartet das neoklassizistische Opernhaus, gleich vom Start weg das drittgrößte der Welt. Es gibt Wohnviertel, die an Italien oder Frankreich erinnern sollen.

Peter Lamprecht