Ich habe Ihnen an dieser Stelle bestimmt schon einmal meine Meinung zum Thema ‚Handy-Abhängigkeit‘ kundgetan. Es mag schon eine Weile her sein, aber mein persönlicher Eindruck ist, dass sich die Sucht nach ständiger Erreichbarkeit und der Zwang, alles sofort in der Community teilen zu müssen, seitdem verschlimmert haben.
Dabei meine ich ja nicht nur das augenscheinlich Erkennbare, dass die Menschen im Alltag permanent auf den circa 10 x 5 cm großen Bildschirm glotzen und dabei hektisch mit Symbolen – sogenannten Emojis; Bildschriftzeichen – versehene Kurztexte eintippen.
Eine gesamte Gesellschaft richtet sich nach den Belangen der iPhones, der Galaxys und anderen Ersatzpartnern. Längst haben die Smartphones enormen Einfluss auf die Abläufe im täglichen Leben genommen. Es wird diskutiert über ein Handyverbot in Freibädern, in jeder Zeitschrift findet man eine App Seite mit aktuellen Tipps (in dieser übrigens auch!). Die Bekleidungsbranche bringt kaum noch eine Jacke auf den Markt, die nicht über eine multifunktionale Handyinnentasche verfügt. In Urlaubskatalogen wird bei den Ausstattungsmerkmalen eines Hotels neben der Nähe zum Strand und der Anzahl der Tennisplätze als wichtiges Entscheidungskriterium die Qualität und Downloadrate des hoteleigenen WLAN-Netzes aufgeführt. Beim Kauf eines Kleinwagens ist die Kompatibilität zum eigenen Smartphone wichtiger als die Frage, ob es ein 3- oder 5-Türer sein soll.
Wer sich beim Check-in-Schalter am Flughafen sein Ticket nicht als Barcode aufs Handy hat schicken lassen, wird von kopfschüttelnden Hipstern überheblich belächelt. Ich seh schon die schwarz-gelb umrandeten Warntafeln: ‚Für Nicht-online-Einchecker nur Stehplätze!‘
Es mag ja in vielen Bereichen des Lebens hilfreich sein, dass man beispielsweise nachsehen kann, wo sich die nächste Tankstelle befindet oder dass mich der Kalender daran erinnert, dass ich vorgestern Hochzeitstag hatte. Aber wenn im Supermarkt ein Rentner vor mir am Joghurt-Regal steht, der die Froop Preise im Online-Portal vergleicht und parallel den Low-Carb-Index vom Seitenbacher Müsli googelt, werde ich unlustig … Das muss doch nicht sein!
Auch wenn meine Kinder diesen Satz nicht hören wollen: „Früher ging das auch ohne Handy…“. Klar! Dafür liegt die durchschnittliche Lebenserwartung heutzutage bei 82,5 Jahren (bei Frauen) und bei einer Nagelbettentzündung am dicken Zeh wird nicht gleich das ganze Bein amputiert. Ich will doch nur ein wenig sensibilisieren!
Wir verfügen doch nach wie vor über unsere Sinne: Wir können unter anderem fühlen, riechen, sehen, schmecken. Frag doch einen Jugendlichen mal nach dem Wetter! Der macht sein Handy an und öffnet eine Wetter App. Ich hingegen schaue aus dem Fenster.
Mein Haus, mein Boot, mein Auto … Warum stehen so viele Leute unter dem Mitteilungsdruck, ständig alles zu posten, wo sie gerade sind, was sie gerade essen oder mit wem sie welchen Longdrink beim Sonnenuntergang genießen? Bis sie alle What’s App Häkchen gesetzt, bei Facebook, Instagram und Tinder die Bilder hochgeladen haben, ist die Sonne eh schon untergegangen und man hat das Beste verpasst. Wenn man nicht gerade werdender Vater, Feuerwehrmann oder Lieferant bei Lieferando ist, kann die Unerreichbarkeit auch mal als schlichter Luxus wahrgenommen werden. Karl Lagerfeld hat einmal gesagt: „Ein Handy ist was für Angestellte“. Das klingt zwar überheblich und anmaßend, hat aber eine beachtenswerte Aussagekraft über den Stellenwert der individuellen Verfügbarkeit.
Zur Versöhnung gebe ich noch ein anderes Zitat von Karl mit auf den Weg, vielleicht schreibe ich nächstes Mal etwas Unverfänglicheres: „Wer Jogginghosen anzieht, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Muss man auch nicht sooo ernst nehmen. Ich liebe Jogginghosen – auch mit Handytaschen …
Ihr Gregor Kelzenberg