Windjacke oder Lodenmantel, Rucksack, Gehstock, Wanderkarte und sogenanntes ‚festes
Schuhwerk‘ – mit solcher Ausrüstung waren sie früher unterwegs: die Urväter des modernen Tourismus, Reisende ‚auf Schusters Rappen‘. Ihre Ausstattung hat sich verändert. Man trägt heute Funktionskleidung; der winzige Stoff-Rucksack mit Brotdose und Wasserflasche ist großen
ultraleichten Tragecontainern gewichen. Und statt der Wanderkarte weist das Smartphone
mithilfe gespeicherter GPS-Daten den Weg.

So hat das Wandern alle Zeitenwenden überdauert. Frühjahr und Herbst sind unverändert Hochsaison für entsprechende Reisen. Angebote führen bis Indien und in den Himalaya, man kann geführt oder unbetreut Australien oder Alaska erkunden. Aber nicht jeder hat Lust, vor dem Urlaub erst einmal zwölf Stunden über Meere und Kontinente hinweg zu jetten. Deshalb finden Sie hier zur Saison 2018 besonders beliebte Wanderziele in Deutschland und Europa, erreichbar in Tagestouren mit dem Auto oder in maximal zwei Stunden per Flugzeug.
Sächsische Schweiz
Bizarre, steile Felsformationen aus Elbsandstein ragen aus grünen Waldgebieten hervor. Die Elbe schlängelt sich südöstlich von Dresden in scharfen Windungen durch diese Landschaft. Und Wanderer tummeln sich gern in der Sächsischen Schweiz. Denn hier gibt es gut ausgeschilderte und gepflegte Wanderwege der unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrade. Akrobatisch angehauchte Kletterer finden hier ebenso ihr Revier wie Freunde der weniger anstrengenden Variante. Ruhe und Abgeschiedenheit warten im dichten Grün des Nationalparks. Und überall in der Nähe locken Rast- und Übernachtungsmöglichkeiten aller Kategorien, von den kulturellen und kulinarischen Attraktionen des Freistaates Sachsen ganz zu schweigen.
Mallorcas Tramuntana
In Sichtweite der prächtigen, millionenschweren Jachten im mallorquinischen Hafen von Port d’Andratx beginnt ein Weg, der stark kontrastiert zur nahen Glitzerwelt der Schönen und Reichen. Es ist die Ruta de Pedra en Sec, der Trocken-
steinmauerweg, der durch die karge Gebirgslandschaft der Tramuntana führt. In Etappen können sich die Wanderer hier vorarbeiten zu den Bergdörfern Estellencs und Esporles bis ins Sóllertal im Westen. Weiter führt der steinige Weg – über den 100 Meter hohen Mola de s’Esclop und den ausgebauten Reitweg des einstigen Erzherzogs Ludwig Salvator bis zum aufregend malerischen Kap de Formentor im Norden der Ferieninsel, deren landschaftliche Vielfalt sich durch nichts besser erschließt als durch ausgedehnte Wanderungen.
Küstenwege der Bretagne
Erst kürzlich ermittelte er wieder im deutschen TV – der bretonische Kommissar Dupin. Seine Heimat, die Küstenlandschaft der Bretagne, galt den Galliern einst als „Land, wo der Himmel die Erde berührt.“ Bizarre Steilküsten wechseln sich ab mit breiten Sandstränden, rosa Granitfelsen ragen empor, und in stillen Buchten leuchtet das Wasser türkisblau. Die Bretagne verspricht ausgedehnte Sommer, für die der Golfstrom sorgt. Zu den spannendsten Wanderwegen dort gehört der ‚Zöllnerpfad‘ durch ungewöhnliche Granitformationen und zur ‚Rosa
Granit-Küste‘, die vor allem beim Abstieg von Perros-Guirec aus zu bestaunen ist. Eine weitere Attraktion ist der Küstenpfad, der auf der Halbinsel Crozon das Cap de la Chevre umrundet und anschließend entlang der Ostküste führt.
Britanniens Südwesten
Nicht nur die Ausdehnung, auch die Ausblicke sind ungewöhnlich auf dem South West Coast Path, der in Minehead in der britischen Grafschaft Somerset beginnt: 1.014 Kilometer warten dort auf Wandermutige. Zunächst geht es entlang der Südwestküste im Exmoor Nationalpark, dann weiter über die Küste von Devon bis nach Cornwall, der Heimat der Heldinnen und Helden aus den Herz-Schmerz-Geschichten von Rosamunde Pilcher. Weiter über Dorset bis nach Poole Harbour führt dieser spezielle Wanderweg, von dem aus immer wieder schwindelerregende Ausblicke zum Fuße wilder Steilküsten möglich sind.
Genau diese Ausblicke waren einst Absicht. Die Küstenwache des Königreichs hatte den South West Coast Path nämlich angelegt, damit die Staatsdiener von dort aus auch die entlegensten Winkel der Küstenlandschaft im Blick behalten konnten – eine Schutzmaßnahme gegen das grassierende Schmugglerunwesen. Etliche der Hütten, in denen die Coast Guards nächtigten, können bis heute unterwegs besichtigt werden.
In deutlichem Kontrast zur immer wieder wilden Küstenstruktur stehen hier die putzig-malerischen Orte im Hinterland, in denen Schlafplätze vom Campingplatz bis zur Luxusherberge zur Übernachtung laden. Und wenn Ihnen auch nach 1.014 Kilometern der Sinn nach weiteren Wanderwegen steht – hier herrscht kein Mangel. Zwischen Chipping Camden und Bath lockt der 164 Kilometer lange Cotswold Way mit einer malerischen Landschaft, in der die Dörfer oftmals die Farbe von goldenem Honig annehmen. Und auch Anhänger der Kurzwanderung kommen im Südwesten der britischen Insel auf ihre Kosten: Der Bath Skyline Walk misst nur zehn Kilometer, bietet dabei aber zauberhafte Ausblicke auf den georgianischen Badeort, dessen Quellen schon die Römer schätzten.
Peter Lamprecht