… denn böse Menschen haben keine Lieder. Eine alte Weisheit mit immer aktuellem Wahrheitsgehalt, wenn man den Begriff ‚Singen‘ auch auf modernes Liedgut erweitert. Ich möchte mir keine Kritik am Hip Hop oder Rap anmaßen. Die Hörerschaft solcher Geräusche stört mich auch nicht, wenn ich Jazz oder klassische Musik genieße.

Eigentlich höre ich fast immer Musik, sei es tagsüber im Auto (wenn man nicht gerade telefoniert), daheim bei der Arbeit – ob im Garten oder am Computer – und natürlich, wenn Besuch da ist. Und jetzt kommt das Problem, das jeder kennt, der schon mal Platten aufgelegt hat: Einwände gegen die Playlist beziehungsweise Musikwünsche aus dem Umfeld. Die fantastischen Möglichkeiten, die uns die Streamingdienste wie Spotify, Apple Music oder Deezer bieten, seine Lieblingsmusik zu hören beziehungsweise den Horizont zu erweitern, sind unglaublich. Aber eine Playlist besteht ja nicht nur aus einer Perlenkette gleich guter Musiktitel, die alle auf gleichem Niveau aneinandergestrickt sind.

Beim Radio beschwert sich keiner, wenn nach James Blunt, Calvin Harris und Adele auf einmal Phil Collins daherkommt. Bei mir grätscht meine Frau spätestens nach dem vierten Lied dazwischen mit dem Einwand: „… was hörst du denn wieder für ’nen Türelü …?!“

Meine Kinder waren früher die ersten Opfer auf den langen Auto-Fahrten Richtung Spanien, wenn Papa nachts Free Jazz oder ausgefallene Musik laufen ließ, die niemals den Weg in die Charts gefunden hätte. (Aber es war nicht umsonst. Die Qualen haben sich gelohnt und eine gesunde Basis an Musikgeschmack hinterlassen. Bei meiner Frau ist es leider schiefgegangen, bei ihr ist es ein Tinnitus geworden).

  

Ich bin ja kein DJ und es ist auch nicht meine Absicht, den Gästen meinen Geschmack aufzuzwingen oder sie auf gescheite Musik einnorden zu wollen. Aber es nervt unendlich, wenn jemand meint, uns seinen Ohrwurm aufdrängen zu müssen. Bloß, weil der gerade auf Ibiza abends im Beach Club bei toller Sonnenuntergangsstimmung mit einem Cocktail in der Hand und Salz auf der Haut einen vermeintlichen Sommerhit gehört hat, der ihm noch immer unter der (verbrannten) Haut sitzt, soll er mich doch damit in Ruhe lassen.

Das ist das Gleiche wie mit dem Wein, der meiner Frau und mir im Urlaub immer unglaublich gut schmeckt und (fast) nie unbekömmlich war. Mit den Füßen im Sand und dem Strohhut auf dem Kopf schmeckt mir auch die letzte Plörre. Würde ich daheim aus blassen, verkratzten Limo-Gläschen aus einer Alublechkanne eingeschenkten Retsina servieren, würden die Gäste laufen gehen (… jetzt isser ganz durchgeknallt …). Aber ‚Griechischer Wein‘ lässt sich eben besser singen als trinken.

Doch zurück zur Musik beziehungsweise den ausgefallenen Wünschen der Gäste. „Kennt Ihr den hier: …“, oder „Spiel mal die Neue von Dingens!“ – Nein! Kannste dir zu Hause anhören oder bring dir Kopfhörer mit.

Ein Bekannter von mir arbeitet gelegentlich als DJ auf Veranstaltungen (Partys, Hochzeiten usw.) und hat ein unglaubliches Gespür, die Stimmung der Gäste
aufzunehmen und seine Musik den ‚Schwingungen‘ im Raum anzupassen. Wie ein guter Trainer im Fußball, der seine Mannschaft dem gegnerischen Spiel anpasst und seine Taktik auswählt beziehungsweise umstellt, legt er sich die nächsten Songs zurecht und nimmt die Gesellschaft mit, führt sie in wiederkehrenden Wallungen auf die Tanzfläche und legt rechtzeitig ein Päuschen ein
(Wer tanzt, hat kein Geld für Biermarken).

Und weil irgendein Depp sich an seinen ersten Kuss auf der Klassenfahrt ins Landschulheim erinnert, drängelt der sich ans DJ-Pult und brüllt: „Hasse auch ‚We will rock you‘?!“ Da zweifelt man an seiner Berufung.

P. S.

Bevor Sie es von anderen hören: Ich schau auch gern mal ZDF Fernsehgarten und war neulich bei Helene Fischer – es war toll …

Ihr

Gregor Kelzenberg