Kennen Sie noch die berühmt berüchtigten Partykeller, in denen die legendären Feten zwischen Waschküche und Heizungskeller stattgefunden haben? In denen es nach muffigem Mauerwerk und angefeuchteten Dash Trommeln gerochen hat? An die sensationellen Feiern unter bläulichen Neonröhren, aus deren hormonellen Spätfolgen einem heute Fleischereifachverkäuferinnen oder Krankenkassensachbearbeiter als Kinder ehemaliger Klassenkameraden/-innen aus der Raucherecke begegnen?

Diese Kellerpartys hatten einen unverwechselbaren Charme. An den Wänden hingen Mannschaftsposter von Borussia, billige Wechselrahmen mit peinlichen Urkunden von  den Bundesjugendspielen und vielleicht ein abgegriffenes,
verblasstes Poster vom Bilitis Kinofilm. Auf der Theke standen neben den Korbschälchen mit (aufgeweichten) Erdnuss Flips alte Chianti Flaschen mit Tropfkerzen und garantiert ein überdimensionaler Kristall-Aschenbecher aus verschiedenfarbigem Glas. Der Boden war bedeckt von undefinierbaren Tierhaar-Teppichfliesen, kombiniert mit mehrlagigen Orientbrücken und durchgelaufenen Persern. Die Musik kam aus einem Grundig Kassettendeck oder von den mitgebrachten Singles auf dem Dual Plattenspieler, 33 UpM. Bei den ‚besseren‘ Kellerbars mit gehobener Ausstattung war auch mal ein Tonband in die rückwärtige Thekenverkleidung eingelassen, das aber unter gaaaar keinen Umständen benutzt werden durfte (die Eltern waren jeweils in Urlaub oder so).

Das zentrale Element und der Stolz eines jeden Hausbesitzers dieser Kultstätten war gewiss das BARFACH. Auf von bunten Leuchtmitteln illuminierten, angestaubten Glasböden standen Spirituosen unterschiedlichsten Wirkungsgrades. Eventuell frei gewordene Plätze von geleerten Flaschen wurden mit Colani Altbiergläsern aufgefüllt (die mit der seitlichen Delle), oder von seltenen Humpen mit Unterschriften von Heynckes Jupp oder Jünter (Nr. 10).

Ich möchte Sie einladen, sich an diese Getränke zu erinnern – an übelste Brände und eklige Tröpfchen, die zwar keinem schmeckten, aber dennoch konsumiert wurden, als gäb’s kein Morgen mehr. Wo ist all der Stoff geblieben? Heute gibt’s nur noch trendige Gin Sorten mit exotischen ‚Botanicals‘ oder Aperol Spritz für die Frauen. Was ist aus Mariacron oder Dujardin geworden? Wer hat den Kabänes und den Weizenkorn entführt, wer  hat das Danziger Goldwasser mitgenommen?

Das nerdige Gelaaabere über die aktuellsten Gin Trends und die en vogue Tonic Sorten kann ich nicht mehr hören.
„O M G – du trinkst (ordinären) Schweppes?! Schon mal das neue Aqua de Monaco
getääähstet – waaahnsinns Note mit floralen Anspielungen an Kardamom, die das bittere Chinin sympathisch überlagern, da lass ich jeden Elderflower stehen …“

Ein guter Freund von mir, der schon immer ein Verfechter des traditionellen Gordons war, lange bevor die Schwarzwälder Monkeys oder die Bombays die Bars dieser Welt erobert haben, mahnt immer, sich auf die Grundzutaten eines ordentlichen Gin Tonics zu beschränken: Gin, Tonic, Eis und ein Spritzer Limettensaft. „Hau mir ja ab mit deinen Gurken oder Pfefferkörnen! Wenn ich Gemüse im Getränk möchte, bestell ich mir ’nen Eintopf.“

Jeder, der einen Braukessel beziehungsweise eine Destille im Haus hat, meint, einen Gin kreieren zu müssen und schickt die Druiden vor Sonnenaufgang zum Kräutersammeln in den Stadtgarten. Selbst namhafte Kölschbrauereien in der Domstadt versuchen, rückläufige Bierumsätze mit Wacholderbränden zu kompensieren. Wo soll das nur hinführen? Wer, außer der Queen, hätte sich getraut, einen Gin aus Vaters Kellerbar zu trinken?  Allenfalls infolge einer verlorenen Wette oder beim Trinkspiel ’schneller Pfeil‘, wären pure Gins als Höchststrafe ins Spiel gekommen.

Nach mir die Gin Flut…

Prost!

Ihr

Gregor Kelzenberg