In den letzten Wochen des alten Jahres trat er wieder mehr als deutlich in Erscheinung: der Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Arbeitsmethoden und einer generellen Systematik bei der Zubereitung von Speisen für familiäre Großereignisse.

Man sollte meinen, die Frauen hätten durch ihre meist langjährige durchgängige Tätigkeit in der Küche einen Heimvorteil gegenüber den ‚Gelegenheits-
Küchen-Männern‘. Doch wie in jedem Jahr, so wie gerade am Weihnachtsfest mit überbuchtem Küchenprogramm geschehen, wollte ich meiner Frau mit helfender Hand und wertvollen Tipps in der ergonomischen Nutzung der Küchengerätschaften zur Seite stehen.

Doch der Lernprozess auf weiblicher Seite ist als eher schleppend zu bezeichnen und selbst evolutionäre Merksätze werden kopfschüttelnd mit undankbaren Körpergesten abgelehnt. Dabei beziehe ich doch einen gehörigen Teil meines fundierten Wissens um die Geheimnisse der Veredelung von Lebensmittel in Genussmittel aus meiner mehrmonatigen Mission als Küchengehilfe während der Grundausbildung bei der Bundeswehr sowie mehreren Kochsendungen von Tim Mälzer, Jamie Oliver & Co. Bei einer derartigen Überqualifizierung treffen mich Sätze meiner Frau wie zum Beispiel: „Bring doch schon mal das Altglas in die Garage“, oder „danach könntest du den Sack Zwiebeln schälen, aber ordentlich!“, tief ins Küchen-Chef-Mark.

Weil ja bekanntermaßen der Klügere in einer zivilisierten Beziehung nachgibt (ohne dabei moralisch einzuknicken) und sich mein einsichtiges Handeln besser mit meiner Harmoniesucht deckt, erfülle ich die mir auferlegten Arbeiten unter leichtem Murren. Bei derart niederen Tätigkeiten grübele ich über Verschwendung kognitiver Ressourcen und nehme mir fest vor, meine Frau mit der Frage zu konfrontieren, ob sie denn glaube, dass Alexander Gerst den Parkplatz vor dem Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln selber fege …

      

Doch zurück in die Küche. Ausgerüstet mit Sous Vide Gargeräten, Fleischvakuumierer und Garpunkttabellen für Dry Aged Beef aus dem Internet war ich bereit für das (Männer-)Thema Fleischzubereitung. Vorweg wollte ich, eigentlich nur der Ordnung halber, meine Frau darauf ansprechen, ob denn das Wurzelgemüse für den Gemüsefond auch ohne Röstaromen aus dem Anschwitzen von Schalotten auskäme. Böse Blicke und die überflüssige Bemerkung seitens meiner Frau, dass die Altpapier-Container nach dem Fest immer verstopft seien und sich in der Garage doch schon eiiiiiiniges angesammelt hätte, verschaffte ihr eine weitere halbe Stunde zeitlichen Vorsprungs.

Erstaunlicherweise sieht das Arbeits(um)-feld beim Werkeln meiner Frau immer aus wie im Hochglanz-Prospekt des Küchenherstellers. Ich hingegen bräuchte schon bei der Mise en Place Vorbereitung drei bis fünf freie Steckdosen und circa 22 Schüsselchen mit verschiedenen Durchmessern. Außerdem benötige ich einen wohltemperierten Weißwein in ausreichender Menge, der während der Küchenarbeit einer permanenten Qualitäts-Degustation unterzogen wird, sowie lauten Free Jazz und viertelstündlich ein sauberes Küchenhandtuch.

Zugegeben: Auch mir gelingt nicht alles. Meine Spinatbeilage hätte im vorletzten Jahr dazu getaugt, eingefrorene Dachrinnen zu enteisen. Offensichtlich hatte ich mich beim Salzgehalt an der Rezeptur aus der Truppenküche orientiert. Aber wofür bevorratet man denn im Eisfach die Notreserven Blubb Spinat …? Entscheidend ist doch, dass alle einen schönen Abend im Kreis der Familie erlebt haben und ein Lob auf die Küche ausgebracht wurde.

Schließlich hatte ich mich dieses Mal bezüglich der Dessertfrage dem Thema Crème brûlée gewidmet und extra den Unkrautbrenner aus der Garage umgerüstet. Am Ende gab’s dann doch Vanille-Eis mit heißen Himbeeren und Sahne. Manchmal muss man auch nachgeben können und sollte den Frauen auch an solchen Abenden nicht die Möglichkeit verwehren, ihren Erfahrungsschatz auszuspielen.

Man mott och jönne könne…

Im nächsten Jahr plane ich mal, einen ganzen Elch am Stück zuzubereiten. Eine Seilwinde mit 1.000 kg Zugkraft hätte ich schon in der Garage. Den Rest google ich dann kurzfristig bei chefkoch.de.

Ihr

Gregor Kelzenberg