Auf der Großen Seidenstraße begann einst die Geschichte von Globalisierung und Vernetzung. Endlose Kamelkarawanen waren ihr Markenzeichen. Sie durchquerten Steppen und Wüsten und quälten sich über karge Gebirgspässe. Gut 6.400 Kilometer unwirtlicher Strecken wurden so überwunden, um Seide und Silber, Gewürze und Gedanken von Asien bis in die Mitte Europas zu transportieren, meistens in Etappen und mit vielfachem Wechsel der Transporteure samt ihrer Lastentiere. Auch in der Gegenrichtung wurde auf der historischen Seidenstraße lebhaft gehandelt – und sogar eine Weltreligion, der Buddhismus, gelangte auf diesem Weg bis nach Japan. Mehr als zwei Jahre dauerte der lange, beschwerliche Transport – und an den wichtigen Wegkreuzungen entstanden über Jahrhunderte blühende Handelsstädte und strahlende Metropolen der Kunst und des Glaubens.

Mizdakhan-Friedhof in Usbekistan an der Seidenstraße

 

Die ‚Große Seidenstraße‘ ermöglichte die Urform des weltumspannenden freien Handels, sie war zugleich über viele Jahrhunderte das erste Großprojekt moderner logistischer Vernetzung. Der Handelsweg wurde ab dem zweiten Jahrhundert vor Christus von den damaligen Regenten im Reich der Mitte ins Leben gerufen – als Hauptader eines blühenden Handelsaustausches und als Verbindungsweg für eine Öffnung Chinas nach Westen. Die Große Seidenstraße war bis ins 13. und 14. Jahrhundert, also bis zum Beginn der erdumspannenden Seefahrt, der bedeutendste Handelsweg zwischen Asien und Europa. Weil China nun seit 2011 mit großem Elan daran geht, eine ‚Neue Seidenstraße‘ für das 21. Jahrhundert zu installieren, ist die Erinnerung an das historische Vorbild neu geweckt. Und inzwischen gibt es auch eine Vielzahl touristischer Angebote organisierter Seidenstraßen-Touren.

Was gibt es entlang der historischen Route zu entdecken?

Es ist eine spannende Welt zwischen Bildern wie aus Tausendundeiner Nacht und modernen, nahezu explodierenden Megametropolen. Die Fülle der Möglichkeiten lässt mühelos Reisen über gut 50 Tage zu, aber auch in siebentägige Etappen und über mehrere Jahre lässt sich die Flut der Bilder und Informationen von der Seidenstraße dosieren. Hauptreiseziele sind dabei Kasachstan und Turkmenistan, Usbekistan und Kirgisistan. Weitere Spuren der großen Zeiten finden sich aber auch in der Türkei, im Iran – und natürlich am Ausgangspunkt der Entwicklung, in China.

Historische Zeitzeugen

Die alte, die Große Seidenstraße begann in Xian nahe Peking, entlang der Großen Mauer. Dort wartet bis heute die berühmte Terrakotta-Armee auf internationale Besucherscharen. Welch gewaltige kulturelle Pracht mit der Seidenstraße entstanden ist, lässt sich dann am eindrucksvollsten in den Ländern Zentralasiens bewundern.

Kirgisistan wurde deshalb gerade erst von Lonely Planet zu einem der sehenswertesten Ziele des Jahres ernannt. Berühmteste Attraktion ist hier der größte See Zentralasiens, der Issyk-Köl. Wie die großen Trecks durch die Wüstenlandschaft starteten, ist bis heute in Karakol zu besichtigen. Sehenswert auch Karacholok.

Usbekistan bietet im Vergleich die wohl meisten sichtbaren Zeugnisse der großen Seidenstraßen-Epoche, vor allem in den großen Städten Samarkand, Buchara und Khiva. In Samarkand, einer der ältesten noch erhaltenen Städte der Welt, wartet eine Fülle von Moscheen, Mausoleen und Museen auf die Besucher. Zum Ensemble dieses UNESCO-Weltkulturerbes gehört insbesondere der Registan, das historische Verwaltungs-, Handels- und Handwerkszentrum in der Stadtmitte, das zuletzt noch als Bildungszentrum genutzt wurde. Hier versteht der Besucher, weshalb Samarkand einst auch als ‚Rom des Ostens‘ gerühmt wurde.

Vier Autostunden weiter erreichen Sie Buchara, ebenfalls Weltkulturerbe und einst als ‚Zentrum des Islam‘ weltweit bewundert. Bis heute finden Sie hier ‚1001 Nacht live‘. Buchara ist zugleich Ausgangspunkt einer Tour durch die Kizil-Kum Wüste, auf der man schließlich nach sechs Stunden Autofahrt die eindrucksvolle Oasenstadt Khiva als viertes Zentrum der alten Seidenstraße erreicht.

Übergang zur Moderne

Ein spannendes Stück Eisenbahnstrecke entlang der alten Seidenstraße wurde 1992 von Kasachstan bis an Chinas Westgrenze eröffnet: Es führt vom kasachischen Almaty bis nach Ürümqi und berührt dabei eine traumhafte Seen- und Gebirgslandschaft. Diese Bahnverbindung wird heute auch für die modernen Containerzüge genutzt, die ein Rückgrat der neuen Seidenstraßen-Strategie bilden – Teil einer gigantischen Landbrücke, die Asien erneut und dauerhaft mit Europa verbinden soll.

Diese Neue Seidenstraße reicht bis NRW. 2001 rollten die ersten Eisenbahnzüge mit Containern aus Chinas Industriemetropolen in Duisburgs Hafen ein. Dort werden sie seither abgefertigt und wieder auf den Weg nach China geschickt. Dabei eröffnen sich für die Wirtschaft in NRW, Deutschland und Zentraleuropa neue
Perspektiven. Inzwischen rollen 35 Züge pro Woche auf der mehr als 10.000 Kilometer langen Strecke, und bald soll die Zahl von 100 Zügen erreicht werden. Neue Bahntrassen und Haltepunkte, Logistik- und Industrieparks entstehen entlang dieser Landbrücke oder sind in der Planung. Die Seidenstraße lebt wieder.

Peter Lamprecht