Der Sommer ist die optimale Zeit für Kultur an ungewöhnlichen Orten. Der Sternenhimmel funkelt, die laue Sommerluft umhüllt einen und füllt Geist und Seele mit dem Gefühl unbegrenzter Freiheit. In Schlössern, Präsidentenvillen, Industrie-Maschinenhallen und historischen Lichtspielhäusern weht der Geist der Geschichte. Glamour und Schweiß vergangener Tage sind noch zu spüren – ideale Orte für Kultur. So mancher Festival-Veranstalter schneidert sein Programm exakt auf die Locations zu, wie unsere Sommertipps zeigen:

Beethovenfest in Bonn
Wo früher Staatspräsidenten begrüßt wurden und gekrönte Häupter dinierten, wo über Weltpolitik verhandelt wurde und heute noch manchmal der erste Mann des Staates wohnt, wird beim Beethovenfest 2011 die Wassermusik Open Air erklingen. Erstmals in der Geschichte des Beethovenfestes in Bonn ist die Villa Hammerschmidt Veranstaltungsort. Am Sonntag, 11. September, wird das Zefiro Barockorchester unter der Leitung von Alfredo Bernardini Werke von Händel und Teleman spielen.
Vater des Beethovenfestes ist der Komponist Franz Liszt. Der initiierte anlässlich der Einweihung des Beethoven-Denkmals am 12. August 1845 ein dreitägiges Musikfest zum Gedenken an den großen Kollegen. Heute bietet das Fest 61 Konzerte an 24 Spielstätten. Weil der Gründer des Festes 2011 seinen 200. Geburtstag feiern würde, wird in diesem Jahr auch an ihn erinnert. ‚Zukunftsmusik – Beethoven, Liszt und das Neue in der Musik‘ ist das diesjährige Fest tituliert. In der Liszt-Nacht werden zehn Konzerte an fünf Spielorten gegeben. Verheißungsvolle Titel wie ‚Krönung der Klavierkunst‘, ‚Reduzierte Schlichtheit‘ oder ‚Weg vom Klischee‘ erhöhen die Spannung.
‚Einmal Beethoven in Bonn‘ spielt das London Symphony Orchestra unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner und ‚Dämonische und Göttliche Nächte‘ sind am Sonntag, 18. September, auf Burg Namedy zu erleben. Auch für Kinder bietet das Beethovenfest Konzerte an. ‚Bienenkino‘ zeigt z. B. das Ensemble Tetete in der Service-Zentrale der Deutschen Telekom.
www.beethovenfest.de
 
 

Ruhrtriennale im Pott
Zum dritten und letzten Mal leitet Intendant Willy Decker die Ruhrtriennale. In seiner letzten Spielzeit im Pott widmet er sich den Urmomenten des Lebens. ‚Ankunft – Suche nach dem Jetzt‘ steht über dem Festival, das vom 26. August bis zum 9. Oktober für 130 Vorstellungen in 34 Produktionen in Bochum, Duisburg, Essen, Gladbeck und Oberhausen seine Türen öffnet.
Ein Highlight dürfte das Konzert von John Cale werden. Der Bratschist und Pianist hat 1973 mit seinem Album ‚Paris 1919‘ Musikgeschichte geschrieben. Auf eine glorreiche Geschichte kann auch die Lichtburg Essen verweisen. Der 1928 erbaute elegante Filmpalast war Schauplatz großer Premieren. Romy Schneider, Gary Cooper, Pierce Brosnan, Wim Wenders, Götz George oder Tom Tykwer liefen hier über den roten Teppich. Gibt es einen würdigeren Ort für das Konzert ‚When Past and Future Collide: Paris 1919‘? Artrock-Musiker John Cale wird am Donnerstag, 6. Oktober, nochmals die Stücke seines Albums spielen.
Etwas rustikaler ist das Maschinenhaus Essen. Als Teil der ehemaligen Schachtanlage Carl beherbergte es ab 1855 die Dampfmaschinen zur Bewegung des Förderkorbs. Nachdem die Zeche Carl stillgelegt wurde, dient das Maschinenhaus nun als Ort für vielfältige Kultur. Während der Ruhrtriennale wird hier das Stück ‚Das letzte Band‘ von Samuel Beckett gezeigt. Premiere ist am Samstag, 17. September, um 20 Uhr. Vor und nach den Vorstellungen läuft im Foyer des Maschinenhauses der Film ‚Nur noch Gewölk‘. Eine Fortsetzung des Stücks, die Beckett 20 Jahre später geschrieben hat.
www.ruhrtriennale.de
 
 

Across the Borders in Aachen
20.000 Besucher sind im vergangenen Jahr kulturell über Grenzen gegangen. Das kleine spartenübergreifende Festival ‚Across the Borders‘ entlang der Route Charlemagne in Aachen zieht das Publikum an. In diesem Jahr warten vom 11. bis 28. August 15 Veranstaltungen an zehn Spielorten auf die Besucher. Der Name der Route Charlemagne erinnert an Karl den Großen, der um 800 in Aachen seinen bevorzugten Herrschaftssitz hatte und von hier aus über einen Großteil des europäischen Kontinents herrschte. Die Route führt an geschichtsträchtige Orte. Dazu gehört der Krönungsfestsaal im Aachener Rathaus, dessen Granusturm noch aus der Zeit Karls des Großen stammt. In den Räumen, durch die der Hauch von gut 1200 Jahren deutscher Historie weht, lässt der Iraner Mohammad Reza Mortazavi die Klangwelten Persiens aufleben. Mit seinen traditionellen persischen Handtrommeln Tombak und Daf schafft er es, als Solo-Künstler orchestrale Ausmaße zu erreichen. Am Donnerstag, 18. August, kann sich das Publikum davon überzeugen.
www.route-charlemagne.eu // www.acrosstheborders.de
Garnet Manecke