…trotzdem können Mustertexte aus dem Internet oder Wartezimmer nicht einfach übernommen werden.

Peter Noll


Franziska F. (27) ist außer sich. Sie steht in der Intensivstation und diskutiert mit den Ärzten. Ihr Mann Julius (29) ist vor zwei Wochen schwer verunglückt, wurde ins künstliche Koma versetzt und kann nicht operiert werden. Ein riskanter Eingriff ist erforderlich, um den Zustand zu stabilisieren. Franziska F. befürwortet diesen Eingriff. Die Ärzte handeln trotzdem nicht.
Die neue gesetzliche Regelung der Patientenverfügung hat in vielen Punkten Klarheit gebracht. Es gibt seit Herbst letzten Jahres eine Vielzahl neu aufgelegter Mustertexte. Diese Texte allein reichen aber nicht immer aus. Häufig wird nicht berücksichtigt, dass die Umsetzung medizinisch dringlicher Maßnahmen konkrete schriftliche Erklärungen des Patienten erfordert, um verzögernde gerichtliche Genehmigungen zu vermeiden.
Julius F. hat weder eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Patientenverfügung noch eine Vorsorgevollmacht unterschrieben. Deshalb muss eine gerichtliche Entscheidung eingeholt werden, bevor die Ärzte den Eingriff vornehmen können. Franziska benötigt auch als Ehefrau eine Vollmacht oder zumindest eine individuelle Patientenverfügung. Darauf kann nur dann verzichtet werden, wenn ohne die sofortige Durchführung der ärztlichen Maßnahme die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass der Patient stirbt.
Unabhängig vom Alter ist es gerade bei Personen, die gefährlichen Arbeiten nachgehen, unvermeidbar, eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zu kombinieren, die die individuellen Risiken ausdrücklich berücksichtigen.
Auch dem Ehegatten müssen konkrete und weitreichende Entscheidungskompetenzen ausdrücklich eingeräumt werden. Ansonsten ist auch er machtlos. Selbst Ehegatten sind nicht automatisch bevollmächtigt. Vor allem nicht so umfassend, wie es oft notwendig ist. Wichtig ist, dass die/der Bevollmächtigte uneingeschränkt bevollmächtigt wird, die Patientenverfügung umzusetzen und Erklärungen zu ärztlichen Eingriffen abzugeben.
Dieses Thema ist hoch komplex. Es empfiehlt sich daher, unbedingt einen Rechtsanwalt oder auch einen Notar zu Rate zu ziehen – vor allem dann, wenn Grundbesitz vorhanden ist.
Rechtsanwalt Peter Noll
Mitglied der Sozietät Rickenbach & Noll, Rechtsanwälte