Vor gut einem Jahr gab es viel Aufregung, weil seit November 2010 ausländische Bußgelder und Geldstrafen generell in Deutschland vollstreckt werden sollten. Bisher ist – zum Glück – nicht viel daraus geworden. Das mag seinen Grund darin haben, dass das neue Verfahren für die ausländischen Bußgeldstellen neu und aufwendig ist. Vermutlich liegt der Grund aber insbesondere darin, dass der Vollstreckungserlös nicht ins Ausland überwiesen wird, sondern unserer Staatskasse zufließt.
Dennoch sollten wir uns nicht in Sicherheit wiegen. Denn das Verfahren zur grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldsanktionen innerhalb der EU ist durchaus organisiert und könnte sehr rasch und effektiv anlaufen – so, wie dies vor dem Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses bereits mit Österreich funktionierte. Im Bundesamt für Justiz in Bonn, das für die Prüfung und Vollstreckung im Inland zuständig ist, dürfte man auf eine effektive Umsetzung eingerichtet sein, sobald die Gesuche aus dem Ausland kommen.
Vollstreckt werden kann auch wegen Bagatellen. Die Summe aus Geldbuße, Verfahrenskosten und Entschädigungszahlungen braucht nur 70 € zu erreichen – ein Betrag, den ausländische Sanktionen fast immer überschreiten. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 km/h in Großbritannien kostet
z. B. bis zu 2.900 €.
Ausländische Bußgeldbescheide sollten also keinesfalls ignoriert werden. Es ist immer zu prüfen, ob man sich nicht gegen sie zur Wehr setzt. Denn die Bescheide bleiben im Ausland lange vollstreckbar – in Italien beispielsweise 5 Jahre. Zu erinnern ist auch an die niederländischen Maßnahmen zur fotografischen Erfassung und Speicherung aller einreisenden Kraftfahrzeuge an Autobahngrenzübergängen.
Ist die Vollstreckung erst einmal in Gang gesetzt, ist der ausländische Bußgeldbescheid in der Regel unanfechtbar. Dann gilt es, die Rechtsmittel im Vollstreckungsverfahren auszuschöpfen. Hier geht es dann aber im Wesentlichen um formelle Fragen, nicht mehr um die Ordnungswidrigkeit als solche.
Stichtag für die Anwendung der neuen Vollstreckungsregelung ist übrigens der 27.10.2010. Behördliche Entscheidungen müssen nach diesem Stichtag ergangen sein. Und vollstreckt werden können nur Geldsanktionen, keine Führerscheinmaßnahmen. Punkte in Flensburg gibt es für Ordnungswidrigkeiten im Ausland übrigens nach wie vor nicht.
Rechtsanwalt Peter Noll
R & N Rechtsanwälte