Im Werbespot der gelb-blauen Köttbullar-Kenner wirft man seinen Tannenbaum einfach vom Balkon, schafft somit Platz für neue Billys oder Ivars und macht aus dem Ganzen ein Fest, das man dann Knut nennt. Das können die ja in ihrem Land der fliegenden Tannenbäume so handhaben. Aber dürfen wir denn so mit wertvollen Ressourcen umgehen, wo ein durchschnittlicher Weihnachtsbaum von 1,85 m Höhe einen nicht zu unterschätzenden Brennwert hat?
In Zeiten, in denen ein Liter Super an der Tanke mehr kostet als eine Flasche Riesling bei Lidl, muss man sich doch Gedanken machen, wie man seine vier Wände – trotz des bislang milden Winters – auf Temperatur hält. Für einmal Volltanken wäre vor 20 Jahren eine vierköpfige Familie eine Woche in den Teutoburger Wald gefahren. Heute sind Zapfsäule und Geldautomat rein äußerlich fast nur noch am Geruch zu unterscheiden. Somit erklärt sich der anhaltende Trend zum archaischen Heizen mit Holz, der mancherlei gesellschaftliche Auswirkungen mit sich bringt.
Während vor Jahren in innerstädtischen Leerstands-Immobilien nach kurzer Zeit meist ein Matratzenstudio einzog, findet man heute mit zunehmender Dichte Kaminstudios, Kachelofencenter oder ähnlich gelagerte Fachgeschäfte für alternatives Heizen. Parallel dazu werden im Baumarkt die Regale mit Kettensägen und sonstigem forstwirtschaftlichem Zubehör von Jahr zu Jahr länger – und Samstagsmorgens herrscht in deutschen Wohngebieten mit mittelaltem Baumbestand das reinste Kettensägenmassaker.
Dann riecht man sie schon, bevor man sie gehört hat: Ihr Herrenduft ist nicht von Douglas, sondern kommt aus dem Kanister. Mit karierter Steppweste, besticktem Schirmkäppi („Es ist in Dir – lass es raus!“) und Schnittschutzhose fällt ihrem holzfressenden Moped alles zum Opfer, was sich verheizen lässt. Warum heute schon an morgen denken?!
Seit dem beharrlich steigenden Bedarf an Kaminholz möchte ich keine kommunale Buche mit dem geringsten Verdacht auf den Ansatz irgendeiner Blattkrankheit sein. Wenn ich mit dem Rad durch den Stadtwald fahre, drängt sich mir der Eindruck auf: Alles, was älter als 50 Jahre ist, müsse raus. Angeblich soll ja in Deutschland mehr Holz nachwachsen, als entnommen wird. Meines Erachtens gilt das vielleicht für den Schwarzwald, den Spessart oder die Eifel. Unser Stadtwald hat in dieser Bilanz jedenfalls ziemlich schlechte Karten. Wenn es so weiter geht, herrschen hier bald spanische Verhältnisse. Dort wurde nämlich zum Erhalt der Kriegsflotten die gesamte Iberische Halbinsel abgeholzt. Apropos: Die Schiffe unserer Marine sind aber doch aus Metall, oder…?
Unseren Tannenbaum jedenfalls habe ich fachgerecht händisch zerkleinert. Und beim Angrillen im späten Frühjahr wird er noch einmal bedeutungsvoll im rechten Licht erstrahlen – das nennt man dann wohl Mehrfachnutzen.
Wo kämen wir denn hin, wenn wir die Rühr-Sticks von Starbucks zum Heizen horten und im Sommer nur noch Magnum-Eis verzehren, wegen der breiten Holzstiele? Nicht auszudenken, wenn meine Frau am Freitagabend mit dem Vorschlag käme: „…lass uns doch zum Chinesen zu gehen – mit Stäbchen essen usw. ;-) Dann könnten wir ja Samstag den Kamin anmachen.“
So, ich muss leider los. Sturmtief Ulli hat gerade beim Nachbarn ´ne ziemlich wuchtige Buche umgenietet. Schnell die Säge raus und ran ans Holz – bevor wieder alles weg ist und sie mir nur noch Kronenholz übrig lassen. Ich riech sie doch schon…
Ihr Gregor Kelzenberg