Wie jetzt? Haben Sie etwa keine Damast-Tischwäsche im Schrank? Dann wurden Sie möglicherweise um Ihr Erbe betrogen. Denn die gehört seit Generationen zur Aussteuer einer jungen Frau und wird auch heute gern weiter vererbt. Eine solche Tischdecke schmückte kürzlich die Geburtstagstafel meiner Schwiegermutter und gehörte zu dem wenigen Gepäck, das ihre Mutter bei sich trug, als sie 1946 mit fünf kleinen Kindern von Hinterpommern nach Schleswig-Holstein floh. Allein das ist Grund genug, sie aufzulegen, zu lieben und ihr ein lebenslanges Wohnrecht auch in den Schränken der nachfolgenden Generationen einzuräumen.
Aber was ist mit all den anderen Dingen, die unsere Schränke, unsere Keller, Geräteschuppen und ganze Dachböden füllen? Und mit den Sachen, von denen wir nicht einmal mehr wissen, dass wir sie besitzen – geschweige denn brauchen?
Oft brauchen wir einen Anlass wie die bevorstehende Kinderkommunion, einen Umzug oder einfach den Frühlingsanfang, der uns motiviert, mit dem Sortieren und Entrümpeln zu beginnen. Lesen Sie dazu ein paar heitere aber immer auch nachdenklich stimmende Geschichten.
Ich selbst erhielt einmal die Anfrage einer Organisationsberaterin, die für eine Kundin einen Schrank suchte, um deren 650 (sechshundertfünfzig!) Paar Schuhe und 180 Kappen sortiert verstauen zu können. Da auch ich mich gut mit Schuhen auskenne und demzufolge auch mit der Planung von Schuhschränken, durften wir ihn bauen. Und dann stand ich abschließend vor diesem schicken, gut belüfteten und beleuchteten Schuhschrank, in dem jedes Paar seinen Platz fand. Ich wartete vergeblich auf dieses Jubelgefühl, wie man es aus ‚Sex and the City‘ kennt. Statt dessen dachte ich: welch ein Luxus, welch ein Stress.
Dieser Stress funktioniert aber auch in aller Bescheidenheit, musste ich feststellen, als ich erzählte, dass wir im Keller ausrangiertes Geschirr, Töpfe, Besteck u. ä. sammeln, da unser volljähriger Sohn sicher in absehbarer Zeit ausziehen wird. Darauf erwiderte eine Bekannte mitleidig, dass sie mit der gleichen Intention auch noch den Hausrat ihrer verstorbenen Tante übernommen habe. Nun steht alles in ihrem Keller – denn ihre Tochter zog es vor, die Erstausstattung in einem schwedischen Möbelhaus zu kaufen.
Aus meinen Erfahrungen in der Wohnberatung weiß ich, dass Jagen, Sammeln und Horten nicht zu unterschätzende Probleme bereiten können. Zu viele und unnütze Dinge, blockieren uns und belasten unseren Alltag, oft auch die familiären Beziehungen. Mit weniger Ballast fühlt sich das Leben gleich leichter an. Wer sich nicht trennen kann, dem rate ich, eine Freundin oder einen Freund um Mithilfe zu bitten, denn die/der beurteilt die Dinge emotionsloser.
Damit Sie sich jetzt nicht alleingelassen fühlen, muss ich Ihnen noch etwas gestehen. Kürzlich war ich zu Kaffee und Crêpes eingeladen. Einen kurzen Moment lang stellte ich mir vor, meine Lieben zuhause ebenfalls mit diesen köstlich duftenden Leckereien zu verwöhnen. Zwar hätte ich in meinen Küchenschränken keinen Platz für das neue Gerät – aber im Keller unter dem Regal mit dem Fischgeschirr, zwischen Waffeleisen und Brotbackautomaten würde sich sicher noch ein Plätzchen finden. Da erwähnte die Gastgeberin, das Crêpes-Eisen hätte ihr die Freundin  überlassen, der sie beim Umzug geholfen hatte. Dabei seien drei dieser Geräte aufgetaucht.
Meinen Gedanken sofort verwerfend und schmunzelnd übergab ich zum Abschied einen Zettel mit meiner Telefonnummer und der Bitte um Weitergabe an die einst dreifache Crêpes-Eisen-Besitzerin. Sie könne mich anrufen, sollte sie auf die Idee kommen, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Denn: Aufräumen beginnt im Kopf.
Einen guten Start in den Frühling
wünscht Ihnen

 
 
 
 
 
 
Ihre Katrin Hoppen
kh@urbano-magazin.de