Bei einem Haushalt mit drei Frauen – der eigenen und zwei trendbewussten Töchtern – hab ich schon so manchen Augenblick wartend im Auto verbracht, weil die Damen sich über die Auswahl der Handtasche zum entsprechenden Anlass oder Outfit nicht einig waren. Dabei ging’s doch nur zur Geburtstagsfeier des Onkels und nicht zum Pferderennen nach Iffezheim.

Tochter eins zu Tochter zwei: „Passt die kleine nussbraune Tasche mit den Pailletten zu den kastanienbraunen Wildlederpumps oder soll ich lieber die Louis V. mit den beigen Henkeln nehmen?“  Ich: „Mir doch egal! Gähn!“ Eigentlich könnte ich schon seit mindestens fünf Minuten den Begrüßungs-Cocktail in der Hand halten.
Dabei darf man gar nicht darüber nachdenken, was in einer solchen Trend-Damenhandtasche – auch Clutch genannt – alles Platz findet bzw. nicht. Mit einem Päckchen Tempotaschentücher ist so ein Teil schon überfordert und sieht aus wie Dirk Bach im Cocktailkleid. Ein Frauenschlüsselbund findet erst gar keinen Zugang in ein solches Unterarmtäschchen.
Man stelle sich vor, in einem ausgestopften, handelsüblichen Meerschweinchen so einen Schlüsselbund unterzubringen: An ihm baumeln zwei bis drei Stofftiere, eine Gummi-Mickey-Mouse, eine stylishe V2a-Halterung für Einkaufswagenmünzen (Werbegeschenk), ein marokkanischer Fransenpuschel sowie schließlich das Schlüsselsortiment eines deutschen Gesamtschul-Hausmeisters. Eine Sammlung freier (d. h. unnützer) Metallringe, ineinander gekettete Ösen, ein mit Strass-Steinchen besetzter Karabinerhaken und ein meterlanges, mit persönlicher Widmung bunt besticktes Nylonband sollten nicht unerwähnt bleiben. Da bedarf es schon der Ausmaße eines Berner Sennenhundes, weil ja der Garagentor-Sender, das schuhkartongroße Brillenetui und das Handy auch noch mit müssen.
Mein Schlüsselbund, bestehend aus Auto- und Wohnungsschlüssel, trage ich meist vorne in meiner Five Pocket Jeans. Als Mann von Welt (bzw. Niederrhein) und überhaupt leiste ich mir lediglich ein kleines schweizerisches Taschenmesser, auch wenn ich es in meiner militärischen Grundwehrzeit beim Bund nur zum Gefreiten gebracht habe.
Doch zurück zur Handtasche: Die Inhaltsangabe beziehungsweise Bedienungsanleitung einer deutschen Standard-Damenhandtasche dürfte so drei bis vier DIN A4-Seiten umfassen. „Ziehen Sie heute noch um oder geh’n Sie nur rasch etwas einkaufen?!“ Wenn es bei meiner Frau in den Tiefen des modernen Lederbeutels klingelt, ist meist der Akku schon leer, bevor sie ihr Handy gefunden hat.
Schlimm ist auch das verzweifelte Ausschütten einer Damenhandtasche auf der Suche nach einer Kopfschmerztablette: „Ich weiß genau, dass ich noch eine dabei hatte…“ Wohl dem Partner, der in diesem Moment eine Sitzgelegenheit in der Nähe findet und eine Zeitschrift dabei hat. In solchen Augenblicken muss ich mich nur zusammenreißen, um kopfschüttelnd und kleinlaut die Frage in den Raum zu stellen: „Schatz, unsere Kinder haben doch jetzt alle einen Führerschein, wofür sind denn noch die Schnuller?“
Ihr Gregor Kelzenberg