Obwohl die Urlaubssaison in diesem Jahr noch nicht begonnen hat, mache ich mir trotzdem schon Gedanken über die anstehende Urlaubsfliegerei und die damit zu erwartenden menschlichen Auswirkungen mit garantiertem und höchst zuverlässigem Unterhaltungsniveau.

Eigentlich geht der Wahnsinn ja schon direkt nach dem Einchecken im Duty Free Shop los: Warum kaufen die Leute völlig überteuerte Spirituosen in Großhandelsgebinden, die am Zielort ein Drittel weniger kosten und außerdem mit Schirmchen und Strohhalm am Pool serviert werden? Die 1 Liter Gin-Flasche passt nach dem Ausräumen der Standard-Befüllung in keine Minibar und die vorhandenen Eiswürfel würde nicht mal Johnny Knoxville von Jackass als Mutprobe verzehren.
Dennoch kaufen die Leute Parfum, Süßigkeiten und Zigaretten, als stünde der Feind kurz vor der Elbe. Beladen wie der Weihnachtsmann reiht sich der gewissenhafte Urlaubsflieger mit verplombten Tüten, dem Handgepäck und der Bordkarte im Mund (keine Hand mehr frei) nach dem ersten Aufruf seiner Maschine nach Palma in die endlose Schlange am Gate ein, um mindestens 30 Minuten Stau zu genießen. Die Wartenden duften wie die Klassenfahrt von Douglas, weil jeder fünf bis acht verschiedene Düfte auf seinen Armen versprüht hat.
Beim Betreten des Flugzeugs nehmen sich manche Leute mehr Gratis-Zeitungen mit, als sie im ganzen Urlaub lesen könnten. Für den zweieinhalb-stündigen Flug nach Malle wurden ein 600 Seiten starkes Buch, der iPod mit Aktivkopfhörern, ein Sudoku-Rätselheft und ein aufblasbares Komfort-Nackenhörnchen (günstig gekauft im pro-Idee Shop) in der Sitztasche verstaut.
Doch bevor das Entertainment über den Wolken losgeht, wird aus der Speisekarte der berühmten Sansibar ein Hähnchenbrüstchen auf Casarecce Pasta bestellt, dazu ein süffiger Rotwein – guten Flug. Wenn das so weiter geht, kann man für den Flug Düsseldorf – Alicante demnächst schon mal eine Paella vorbestellen und auf der Kurzstrecke nach Zürich wird ein Käsefondue serviert.
Nach dem Verlassen der Reiseflughöhe bleibt kaum Zeit, die Schnäppchen aus dem Bordverkauf in berstende Handtaschen zu verstauen, als auch schon wieder die Anschnallzeichen aufleuchten. Mit vollen Backen kauend und dem köstlichen Tomatensaft (mit Pfeffer bitte!) in der Hand nochmal flott aufs Klöchen – man will ja nicht mit den Kompressionsstrümpfen bei der Hitze am Gepäckband stehen.
Ansage: „In wenigen Minuten erreichen wir unseren Zielflughafen. Wir möchten Sie bitten, nach der Landung noch so lange angeschnallt sitzen zu bleiben, bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben und die Anschnallzeichen über Ihnen erloschen sind“. Bla bla bla. Nach dem Aufsetzen hat die Maschine noch die Geschwindigkeit eines Sportwagens – vereinzelt ist gedämpfter Applaus vernehmbar – doch das simultane Klicken etlicher Gurtschlösser ist für viele das Signal, aufzuspringen und die Gepäckfächer aufzureißen.
Bei sanfter Fahrstuhlmusik stehen sie dann gerne wieder 30 Minuten in gebückter Haltung mit schrägem Kopf und machen nach dem Deaktivieren des Flugmodus auf Mr. Wichtig. Von Reihe 12 teilt man seinen Kumpels in Reihe 16 lauthals mit, dass Kalli und Manni schon am Ballermann sind und geile Bilder gepostet haben. „Vielen Dank, dass Sie mit uns geflogen sind.“ Bitte – gerne.
Ein weiteres Highlight ist dann das Verhalten der Experten am Gepäckband. Jedes Drängeln und Schubsen im Flugzeug, auf den Rolltreppen und den langen Flugsteigen war für die Katz, weil die Gepäckbänder in Spanien meines Erachtens nur in Zeitlupe beladen werden. Auch hier gilt der Grundsatz: Wer als Erster am Band steht, wartet meist am längsten.
Man darf sich an dieser Stelle schon auf den Rückflug freuen, dann geht das gleiche Spektakel wieder von vorne los. Nur mit dem Unterschied, dass die meisten Leute mangels Platz im Handgepäck tolle Sombreros auf dem Kopf tragen und unterm Arm eine handgeschnitzte Giraffe mit meterlangem Hals (guter Preis!).
Ich such mir dann ein ruhiges Plätzchen, beobachte in aller Ruhe höchst amüsiert die Leute und summe dabei ein alt bekanntes Liedchen: Jedes Johr em Sommer jeiht dat Spillche widder loss. Mit Sack un Pack no Spanien, weil et do jo nit vill koss.
Wenn wir uns vorher nicht mehr sehen: schönen Urlaub.
Ihr Gregor Kelzenberg