Neugierig auf die jüdische Kultur wurde Matthias Oelrich durch die Erzählungen über jüdische Viehhändler.
Vor der Nazi-Diktatur handelten diese  mit den Bauern des kleinen Dorfes im Schwarzwald, in dem der Schauspieler aufgewachsen ist. „Mein Vater studierte in der Weimarer Republik Anthropologie“, erzählt der 1943 geborene Schauspieler. „Die Wissenschaft war damals schon rassistisch angelegt.“ Darüber, was unter der Herrschaft der Nazis passiert war, wurde in den 50er Jahren geschwiegen. Aber Oelrich war neugierig.
Er wollte sich mit der jüdischen Kultur beschäftigen. Mit 16 Jahren fand er in einem Musikgeschäft seinen ganz persönlichen Zugang zu dem Thema: eine Schallplatte mit jiddischen Liedern.

Foto: Matthias Stutte


Oelrich interessierte sich für das Ostjudentum, sammelte jiddische Musik und Literatur. Aus seinem reichhaltigen Schatz hat er zusammen mit den vier Musikern der Fajngold-Klezmers 2005 im Theater Mönchengladbach sein Programm „Un as der Rebbe singt“ zusammengestellt. Der Abend voller Musik, Anekdoten und erzählter Geschichte von den Ursprüngen des Judentums und seiner Verfolgung begeistert seitdem sogar in Berlin das Publikum. Im Rahmen der jüdischen Kulturtage NRW wird der Schauspieler mit dem Programm am  21. März im Kulturzentrum BIS gastieren.
Der Charme der Sprache
Unter dem Motto ‚einblicke – jüdisches (er)leben‘ bieten elf freie und kommunale Einrichtungen in der Stadt 36 Veranstaltungen an. Konzerte, Diskussionsrunden, Vorträge, Filmvorführungen, Theater, Lesungen und Workshops stehen auf dem Programm. Gerade letztere sind für viele Teilnehmer der Einstieg in eine andere, faszinierende Welt, wie Susanne Völker schon oft beobachtet hat.
Völker hat das Klezmerfest im Kulturzentrum BIS initiiert.
„Ich weiß nicht, ob das Klezmerfest auf großes Interesse in Mönchengladbach stößt. Wir probieren es einfach aus“, sagte sie bei der ersten Auflage des Festes 2004. Das Interesse war riesig, das Fest wuchs von Jahr zu Jahr. Besonders die Workshops sind sehr beliebt, weil dabei auch Teilnehmer mitmachen können, die erst seit Kurzem ein Musikinstrument spielen oder wenig Erfahrung im Singen haben.
Eingebettet in die jüdischen Kulturtage ist das Klezmerfest im BIS in diesem Jahr auf zehn Veranstaltungen angewachsen. Interessierte können lernen, jiddische Lieder zu singen, Märchen frei zu erzählen oder Klezmermusik zu machen. Was sich aus solchen Workshops entwickeln kann,  zeigt die Musikgruppe Kleztreff eindrucksvoll. Das Musik-Ensemble unter der Leitung von Georg Brinkmann entstand aus einem Workshop beim ersten Klezmerfest: Die Teilnehmer waren so begeistert von der Musik, dass sie nach dem offiziellen Ende des Kurses einfach weiter machten.

Einfach weiter gemacht
Diese Begeisterung kann Susanne Völker gut verstehen. Die Kommunikationsexpertin hat ihre Liebe zur jüdischen Musik einst bei einem Klezmerfest entdeckt. „Von dem Augenblick wusste ich, dass das meine Musik ist“, sagt sie. Dennoch dauerte es zehn Jahre bis sie ihre erste Klezmer-CD bekam und auch selbst zu singen begann.
„Ich habe jiddisch gelernt und da entwickelte sich der Wunsch, zu singen“, erzählt Völker heute.
Der Wirkung dieser Sprache, die heute fast nur noch in Osteuropa und in New York gesprochen wird, kann man sich kaum entziehen. Das liege zum einen daran, dass sie so gut verständlich sei, weil sie dem Deutschen nahe steht. „Aber es ist eine Sprache, die viele Einflüsse aus Russland, Moldawien und anderen Ländern aufgenommen hat“, sagt Völker. „Jiddisch ist in keinem Land oder Ort verwurzelt. Der Charme dieser Sprache entwickelt sich über ihre sprachlichen Bilder.“
Nicht nur die leichte Muse prägt das abwechslungsreiche Programm der jüdischen Kulturtage.
In der Citykirche werden Lesungen aus ‚Nathan und seine Kinder‘ oder dem Briefwechsel von Nelly Sachs und Paul Celan gehalten. Die jüdische Gemeinde lädt zum Besuch der Synagoge an der Albertusstraße ein. Für Kinder und Jugendliche werden spezielle Führungen organisiert. Auf den Spuren der jüdischen Geschichte wandeln die Teilnehmer der jüdischen Stadtführung. Dabei wird an bekannte Juden und ihre Leistungen für die Stadt erinnert. Und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit stellt auf der Route gegen das Vergessen Orte jüdischen Lebens vor.
Wer auch über die Grenzen Gladbachs und Korschenbroichs hinaus Veranstaltungen besuchen möchte, dem sei ein Besuch der Museumsinsel Hombroich empfohlen. Am 3. April spielt das Morgenstern-Trio Werke jüdischer Komponisten – wie zum Beispiel Leonard Bernstein oder Felix Mendelssohn Bartholdy.
Garnet Manecke

www.juedische-kulturtage-nrw.de