Oder: Der frühe Vogel kann mich mal. Neulich hatte ich an einem verregneten Samstagmorgen das seltene Glück, einfach mal im Bett liegen bleiben zu können. Kein Töchterlein, das um 7.30 Uhr zum Reitstall gefahren werden will, kein Zierrasen, der knöchelhoch nach einem Sommerschnitt lechzt. Und keinerlei sonstige Verpflichtungen, die einem ein schlechtes Gewissen verschaffen würden, bliebe man einfach noch mal so ’n Stündchen liegen und kuschele sich in die Federn oder an Mausis warmen Rücken…

Halb schlaftrunken, die Träume in gute und schlechte sortierend, bin ich in dieser Ich-bleib-noch-ein-wenig-liegen-Phase sehr hellhörig und empfindsam für jedes an mein schläfriges Ohr dringende Geräusch. Bei stets geöff netem Fenster – ob Sommer oder Winter – glaube ich hören zu können, ob es geschneit hat oder nur feinster Nieselregen das Wochenende begleitet. Ich kann schon am Gang erkennen, ob der Zeitungsbote um 5 Uhr Links- oder Rechtshänder ist und wie viele Amselküken im Nest zwitschern.
Doch an diesem Samstag weckt mich gegen 8.30 Uhr ein beharrlich näher kommendes elektronisches Gequäke aus einem Billig-Megaphon, montiert auf dem LKW-Dach des Schrotthändlers MANNI (gleichlautendes Nummernschild liegt innen an der Frontscheibe). Mit gefühlten 120 Dezibel meint Manni mittels (grässlicher) klassischer Musik, die Leute zum Aufstehen zu
bewegen, um alte Fahrräder, Kühlschränke oder sonstigen Metallschrott bei ihm loszuwerden.
Wie unerhört kann man nur diese morgendliche Ruhe mit einer solch akustischen Luftverschmutzung verderben. Dass manche Leute mittags den Rasen mähen, wenn andere ein Päuschen machen, ist zwar auch ärgerlich, aber man kann ja die Fenster schließen. Gleiches gilt im Übrigen für den mittäglichen Einsatz von Hochleistungs-Dampfstrahlern zur Reinigung der vermoosten Terrasse oder das Schneiden von Keramikfliesen mittels diamantbesetzter Flextrenscheibe.
Früher kamen diese Schrottsammler meines Erachtens so alle drei bis vier Monate – heute, in Zeiten knapp werdender Rohstoff e und zunehmender Finanznöte, kommen die Eisengeier zweimal pro Woche. In meiner Jugend schwang noch der Beifahrer eine schwere Eisenglocke und alle 50 Meter hieß es: „Luuumpeeen, Alteiseeen“. Finster dreinblickende Schleppergesichter ließen mich als Kind ehrfurchtsvoll erstarren und mit äußerster Beherztheit mein Fahrrad festhalten, wenn ein Schrottsammler langsam durchs Dorf fuhr.
Erschreckend sind in diesem Zusammenhang die jüngsten Vorkommnisse aus Odenkirchen, wo vor einem Ärztehaus bei Nacht und Nebel Metall – in diesem Fall ein künstlerisch gestalteter Brunnen – ohne Zustimmung des Besitzers entsorgt wurde. Es werden Regenfallrohre geklaut und Kanaldeckel gemopst, um dafür beim Schrotthändler ein paar Euro zu kassieren. Jeder Bauherr muss im Rohbau um Kabelmaterial bangen, weil die Kupfergangster mittlerweile alle aus der Wand kommenden Leitungen filzen. In Brüggen wurde neulich nachts die Giebelwand eines Supermarktes mittels Bagger niedergerissen und am Niederrhein ein frei stehende Geldautomat gesprengt. Sind wir hier bei Ocean’s Eleven oder was?!
Wenn das so weiter geht, müssen wir bald die Heizkörper anketten, die Badewanne bewachen und in Zukunft über Fahrräder aus Holz nachdenken. Dass man für alte Elvis Platten, Omas Silberbesteck und echte Haare von Günther Netzers letztem Friseurbesuch in Mönchengladbach Bares bekommt, ist spätestens seit Pehlivan Sükrü und anderen Fernseh-Trödlern bekannt. Aber doch bitte immer nur mit der Zustimmung des Vorbesitzers!
Das Gebimmel eines italienischen Eisverkäufers oder der Ruf des Bio-Bauern, der Kartoffeln und Gemüse direkt ab Ladefläche verkauft, sind für mich hinnehmbare Geräusche im sozialen Umfeld, zumal es innerhalb vertretbarer Uhrzeiten auftritt und auch tatsächlich Käufer anlockt beziehungsweise Bedürfnisse deckt. Dem Trödler Abraham alias Manni mit seiner Uraltpritsche rate ich nur, seine Digi-Bimmel zu stutzen. Sonst werde ich demnächst nachts vor seinem Schlafzimmer Position beziehen und
aus mannshohen Lautsprechern Freejazz zum Besten geben, mit dem ich schon erfolgreich die ein oder andere Party bei mir zuhause beendet habe, weil ich ’na Bett‘ wollte.
Ihr Gregor Kelzenber